Fliegenfischer-Treffen in Hamburg: Männer, die Fake-Insekten basteln

In Hamburg kommt die Fliegenfischerszene in einem Strandbad zusammen – initiert von der CDU. Ein Tag voll Glitzer, Currywurst und Oppossumfell.

Der Fliegenfischer Jan Rosenberger wirft bei einem Fliegenfischen-Event im Strandbad Farmsen eine Angel aus.

Elegantes Werfen beim Fliegenfischen-Event im Strandbad Farmsen Foto: Axel Heimken/dpa

Es braucht nicht viel, um ein Fake-Insekt herzustellen. Einen Seidenfaden als Basis, ein bisschen Tierfell, zum Beispiel vom Opossum, zwei getupfte Federn von einem indischen Hahn für die Augen der Fliege („Die Fliege muss den Fisch sehen“, so geht ein Fliegenfischerscherz) und ein paar Glitzerfäden. Dem Fisch ist der Glitzer zwar nicht so richtig wichtig, aber die Fliegenfischer mögen das.

Am Ende der Schnur befestigt ins Gewässer geworfen, muss die Fake Fliege am Haken vor allem möglichst organisch durchs Wasser gleiten, damit die Fische, oft Lachse oder Meerforrellen, drauf reinfallen und anbeißen.

Ein routinierter Fliegenbinder braucht mit seinem Apparat, der wie eine Miniaturnähmaschine aussieht, etwa zehn Minuten für eine Standardfliege.

Am vergangenen Sonntag traf sich die für Außenstehende doch etwas nerdig anmutende Fliegenfischerszene im Strandbad Farmsen, brachte Ruten, Fliegenbindeapparate, rot gefärbte Oposumfellchen und Outdoorkochtöpfe mit, schüttelte sich erfreut die Hände („Mensch, wir haben uns ja seit zehn Jahren nicht gesehen!“ Dieser Satz fiel so oder so ähnlich sehr oft, man kennt sich) und führte die Fliegenfischwurftechniken vor.

Männer ab 50

Um 10 Uhr startet „Hamburgs erstes Fly-Fishing-Event“, wie die Organisatoren es anpreisen. Während auf dem Strandbad-Gelände die ersten Fake Insekten geknüpft werden (manche sind so filigran und hübsch, dass sie in Bilderrahmen ausgestellt werden) parken draußen die Besucher, fast alles Männer ab 50, ihre Autos auf der durchweichten Wiese.

Ein Zettel weist allen, die sich vorher angemeldet haben, links um einen Busch herum den Weg zum VIP-Eingang. Na ja, es gibt nur einen Eingang ins Strandbad, aber mit Anmeldung darf man eben links um den Busch herum an der Warteschlange vorbei. So die Theorie, in der Praxis muss man eh nicht warten. Die rund 300 zahlenden Besucher, fünf Euro kostet der Tag mit den Fliegenfischern, stehen nicht alle gleich morgens auf der Matte und wollen rein, sondern tröpfeln nach und nach aufs Gelände, kaufen sich eine Currywurst und schlendern umher.

Die Initiatoren sind selber Angler und Mitglieder des CDU-Ortsverbands Farmsen-Berne, einem ländlich geprägten Stadtteil in Hamburgs Nord-Osten. Früher wurde hier Lehm und Ton ausgebuddelt, um daraus Ziegel herzustellen. Einige der längst aufgegebenen Tongruben sind heute Seen. Einer davon ist das Strandbad Farmsen.

Elegante Wurftechnik am Strand

Fische fangen die Männer an diesem Sonntag keine, es geht nur ums Vorführen ihres Hobbys. Zwischen den Fliegenfischern, viele mit Käppi und Hoodie, sind immer etwa 15 Meter Platz, das muss sein, will man nicht die Schnur des Nachbarn abbekommen. Sie stehen da und werfen in fließenden Bewegung die Schnur aus, um sie gleich wieder einzuholen. Einer streckt beim Wurf ein Bein elegant nach hinten aus und verharrt einige Sekunden in dieser Haltung. „Das gibt gute Haltungsnoten wie beim Skispringen, wenn man eine Telemark-Landung schafft“, sagt er und lacht laut dazu.

Einer der Initiatoren des Fliegenfischtages ist extra in die CDU eingetreten, um sich in der Ortsgruppe Farmsen-Berne für sein Hobby und gegen einen Nationalpark Ostsee einzusetzen. Im Strandbad steht er an diesem Sonntag unter einem Plastikpavillon, vor sich ein Rednerpult, an dem ein handgeschriebenes Schild und ein gezeichneter Fisch, der sein riesiges Maul aufreißt, verkündet: „Vorträge Dänische Auen 11 und 15 Uhr“. Er zeigt auf einem Monitor Grafiken von Gülleeinträgen in die Ostsee und Fotos von hübsch meandernden dänischen Flüssen im Sonnenuntergang, an denen es sich gut Fliegenfischen lässt.

„Als würde jemand Gulli­deckel reinwerfen“, beschreibt er einen der Flüsse, so viel Wirbel machen dort die Meerforellen in der Dämmerung an der Wasseroberfläche. Anerkennendes Nicken und Murmeln der paar Zuhörer, allesamt Männer, die die Hände in ihren Hosentaschen vergraben und ihre Köpfe unter den Pavillon stecken. Sie wissen eben, dass die Meerforelle eigentlich ein sehr scheuer Fisch ist.

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Jahrgang 1977, die Soziologin arbeitete fast 15 Jahre - meist als freie Autorin - für die taz nord sowie für den NDR in Hamburg als Nachrichtenredakteurin Online und Radio, ging dann kurz zum stern und war anschließend stellvertretende Ressortleiterin Lokales bei der Hamburger Morgenpost. Seit 2023 ist sie Redaktionsleiterin der taz nord.

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