Hauptversammlung von ProSiebenSat.1: Bad Vibes bei ProSieben
Bei der virtuellen Hauptversammlung von ProSieben war die Stimmung nicht gerade berauschend- auch weil im Geschäftsbericht gegendert wurde.
E igentlich hätte die ProSiebenSat.1 SE mit ihrer Hauptversammlung am Dienstag auch ihr Hauptprogramm bestreiten können. Allein die als „kurze Pause“ getarnten ständigen Unterbrechungen hätten locker für die längsten Werbeblöcke gereicht.
Die Hauptrolle spielte Ex-Springer-Mann Andreas Wiele als alerter Aufsichtsratschef kurz vor seiner größten Niederlage. Daneben Bert Habets, der von RTL als Retter der maroden Privatsendergruppe geholte Vorstandschef mit dem charmanten Rudi-Carell-Akzent.
Die Bösen tarnten sich dagegen mit so harmlos klingenden Abkürzungen wie MFE oder PPF, doch dahinter stehen die Berlusconis (Media for Europe) und die tschechische Milliardärin Renáta Kellnerová (PPF). Sie haben ganz anderes mit der ProSiebenSat.1 Media SE vor. Vor allem MFE will das ProSieben-Reich zerschlagen, um billig die paar Filetstücke an sich zu raffen.
Bad Vibrations
„Relax, it’s now time to cleanse your body of negative emotions“, haucht in den Pausen die Warteschleifenmusik, die sich ProSieben vermutlich in der nächstbesten Biosauna ausgeliehen hatte. „Expand your Body. Vibrate even further, expand even further.“
Bloß dass das mit dem Expandieren bei ProSieben gerade so ’ne Sache ist. Vibrations gibt es dafür reichlich, und zwar negative. Denn die Bösen hätten es mit der Zerschlagung fast geschafft. Nur die vorgeschriebene Dreiviertelmehrheit bei den Abstimmungen über derart gewichtige Veränderungen lässt den ganz große Durchmarsch platzen. Sonst bekommen MFE und PPF alle Ziele und vor allem ihre Aufsichtsratskandidat*innen durch.
Zu dumm, dass die Hauptversammlung nicht wie früher in Präsenz, sondern bloß virtuell war. „So im Sinne einer Gala mit vielen Promis über den Roten Teppich und Schickimicki-Live-Berichterstattung von nichts Wichtigem?“, fragt die Mitbewohnerin. Die ganze Spannung fand leider nur in den verkniffenen Vorstandsgesichtern statt.
Beschwerden übers Gendern
Als Ventil für solche Emotions gibt’s ja stulle Fragen von Kleinaktionär*innen, die laut Aktiengesetz bierernst zu beantworten sind. Ob der Vorstand nicht auch per KI als Avatar auftreten könne, wurde also gefragt. „Ich freue mich, dass der Vorstand nicht als Avatar auftritt. Für den Aufsichtsrat wäre das ohne Weiteres möglich“, sagt Andreas Wiele.
Und plötzlich geht der ganz große Kronleuchter auf. Der schwitzt trotz über achteinhalb Stunden Hautversammlung und aller Niederlagen nicht sein blütenweißes Hemd durch, weil er längst einer ist. Bloß mit verdammt gestriger KI gefüttert.
Als sich ein anderer Kleinaktionär über’s Gendern im Geschäftsbericht aufregt, sagt Entertainment-Vorstand Markus Breitenecker, „wir haben uns entschieden, genderneutral zu formulieren, um das Bewusstsein zu schärfen“. Und was sagt Avatar*in Andreas? „Ich werde mich an diese Beschlussvorlage des Vorstands nicht halten“. Zu schade, dass er nicht auch zur Abwahl anstand.
Richtigstellung: In einer vorherigen Version dieses Textes hieß es, dass ‚Klara Brachtlová‘ der Name der tschechischen Milliardärin sei. Dies wurde korrigiert.
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