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Mehr rechte Gewalt denn je

Der Kieler Verein „Zebra“ hat vor allem eine Zunahme von rassistisch motivierten Bedrohungen registriert

Nach Recherchen des Vereins „Zebra – Zentrum für Betroffene rechter Angriffe“ sind in Schleswig-Holstein 2023 so viele Menschen Opfer rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalttaten geworden wie nie seit Erhebung der Statistik 2017. Im vergangenen Jahr wurden 136 Fälle erfasst, wie Berater Felix Fischer bei der Vorstellung des Monitorings des Vereins sagte. Davon waren 187 Menschen betroffen. Im Vorjahr waren 104 Fälle registriert worden.

„Der Anteil der betroffenen Kinder und Jugendlichen ist mit rund 20 Prozent weiterhin besorgniserregend hoch“, sagte Fischer. Auf Vorurteilen beruhende Gewalt- und Ausgrenzungserfahrungen könnten auf deren Entwicklung enorme Auswirkungen haben. „Die meisten Angriffe waren rassistisch motiviert.“ Dies traf auf mehr als zwei Drittel der Fälle zu. Es habe auch mehr Angriffe aus antisemitischen oder queerfeindlichen Motiven gegeben.

„Wie in den Jahren zuvor sind mehr als die Hälfte aller aufgenommenen Angriffe Körperverletzungen oder gefährliche Körperverletzungen“, sagte Fischer. Die Angriffe seien von einer hohen körperlichen Gewalt geprägt. „Gleichzeitig hat sich die Anzahl der Bedrohungen und Nötigungen im Vergleich zu 2022 mehr als verdoppelt.“ Ein Erklärungsansatz sei eine Gesetzesverschärfung von 2021.

Projektleiterin Annika Vajen schilderte anhand eines Beispiels aus dem vorigen Jahr, wie auch vermeintlich harmlosere Bedrohungen massive Folgen haben können: Eine Familie wurde im Zug auf der Suche nach einem Sitzplatz von einem weiteren Fahrgast angegangen. „Die Familie wurde rassistisch beleidigt und der Angreifer baute sich bedrohlich vor ihr auf. Dem Vater, der sich beschützend vor seine Familie stellte, wurde ins Gesicht gespuckt.“ Die Familie habe das Abteil verlassen, um sich einer körperlichen Auseinandersetzung zu entziehen.

„Die Mutter leidet unter starken Angstzuständen, die ihren Alltag beeinträchtigen. Eine Nutzung von öffentlichen Verkehrsmitteln löst bei ihr auch fast ein Jahr nach dem Angriff akute Atembeschwerden aus“, sagte Vajen. Aufgrund ihrer Angst in engen Räumen habe sie ihren Deutschkurs abbrechen müssen. (dpa)

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