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Schach-Ikone Nona GaprindashviliEine intellektuelle Revolution

Nona Gaprindashvili aus Georgien war die erste Schachspielerin, die vom Weltverband den Titel Großmeisterin verliehen bekam. Über eine Nationalikone.

Nona Gaprindashvili (r.) und Elmira Khorovets bei der Sommer-Spartakiade 1983 in Moskau Foto: imago

W irklich überrascht dürften weder ihre Eltern noch ihre fünf Brüder gewesen sein, dass aus Nona Gaprindashvili eines Tages die erste Schach-Großmeisterin der Welt werden würde. Die Familie war schließlich, so ist es überliefert, sehr aktiv. Neben Tischtennis, Billard und Fußball wurde vor allem Schach gespielt. 1946, Nona war fünf Jahre alt, ließ sie sich von ihrem Vater Schach erklären, was vielleicht zunächst aber auch nur daran lag, dass sie beim Fußball als einziges Mädchen der Familie immer bloß ins Tor gestellt wurde.

Als Nona mit 12 Jahren bei einem Schachturnier in Tiflis für einen kurzfristig erkrankten Bruder einsprang, wurde ihr außergewöhnliches Talent vom renommierten Schachtrainer Vakhtang Karseladze entdeckt. 1954 erlaubten ihre Eltern, dass sie zu einer Tante in die Hauptstadt zog, um professionell zu trainieren. Zwei Jahre später gewann sie als 14-Jährige das Halbfinale der UdSSR-Frauenschachmeisterschaft. Als sie 1962 gegen Bykowa um die Weltmeisterinnenschaft spielte, waren unter den Zuschauern auch die Spieler ihres Lieblingsvereins Dynamo Tbilisi – bis heute ist Nona Gaprindashvili großer Fußballfan.

Im Jahr 1975 spielte Nona gegen Nana Alexandria, ebenfalls aus Georgien, was zu großer Begeisterung in Georgien führte – eine Parfümerie kreierte sogar einen eigenen Duft namens „Nona und Nana“. Nona gewann acht der zwölf Spiele gegen die neun Jahre jüngere Konkurrentin, und war nach Meinung von Experten auf dem Höhepunkt ih­rer Karriere angelangt.

Gewürdigt wurden ihre herausragenden Leistungen jedoch nicht immer: 1977 besiegte sie beim Turnier „Lone Pine International“ gleich vier männliche Großmeister. Der Lokalzeitung Bulletin fiel dazu vor allem ein, dass sie „eher wie ein Maurer denn wie eine Frau gebaut“ sei. Ihr sensationeller Erfolg eben dort sorgte ein Jahr später dafür, dass sie die erste Schachspielerin wurde, welcher der Weltverband Fide den Titel Großmeister verlieh. Als technisch brillant, aggressiv und furchtlos wurde der Spielstil von Nona in dieser Zeit beschrieben, Fans sagten gern, dass sie spiele, um zu gewinnen. Wenn sie verlor, konnte sie stinkewütend werden, aber das tat vor allem in Georgien der Begeisterung keinerlei Abbruch.

Ideale Nationalikone

In seinem Buch „Women in Chess“ schreibt der Autor John Graham, dass Georgier und Georgierinnen oft zur Zielscheibe von russischem Rassismus wurden (und werden), eine selbstbewusste Schachspielerin war daher die ideale Nationalikone. In ihrem Buch „Chess Bitch Woman“ („Schachschlampen“), beschreibt die US-Schachspielerin und Journalistin, Jennifer Shahade, wie berühmt Nona wurde: Ihre Fans standen am Flughafen Schlange, um sie bei der Rückkehr von Turnieren im Ausland zu begrüßen, kleine Mädchen wollten plötzlich lieber Schachspielerinnen als Ballerinas werden. In ihrer Heimatstadt wurde eine Statue zu ihren Ehren errichtet, und zum 60. Geburtstag erhielt Nona von der georgischen Regierung zwei Autos geschenkt.

Zwischen 1974 und 1985 wurde Nona fünfmal UdSSR-Meisterin, bei Schach-Olympiaden gewann sie in den Achtzigern insgesamt 20 Goldmedaillen. Die Netflix-Serie „Queens Gambit“ ist teilweise auf ihrem Leben aufgebaut, ohne sie zu nennen, weswegen sie 2021 Klage einreichte. 2022 einigten sich der Sender und die Schachspielerin außergerichtlich.

Für Schach interessiert sich die heute 82-Jährige immer noch, dazu geht sie gern ins Theater und liebt Snooker, weil es Schach so ähnele, sagte sie einmal. Die in Georgien geborene und als 20-Jährige in die USA ausgewanderte Schach-Großmeisterin Rusudan Goletani findet, dass Nonas Bedeutung aber weit über Schach hinausgehe. Sie habe vielmehr „eine intellektuelle Revolution angestoßen“ und „alles auf den Kopf gestellt“. Dass Nona Gaprindashvili regelmäßig Männer besiegte, habe gezeigt: „Wenn Frauen gut im Schach sein konnten, dann würden sie in allem gut sein können.“

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Elke Wittich
Journalistin
Schreibt nicht nur über Sport, sondern auch über Verschwörungsideologien, skandinavische Politik und Königshäuser. *** Die ersten Artikel für den taz-Sport gestalteten sich allerdings etwas schwierig: Mit den Worten "Wie, die schicken uns heute eine Frau?" wurde ich beispielsweise vor Jahren von einem völlig entsetzten Vorsitzenden eines Westberliner Fünftligavereins begrüßt. Da war er also, der große Tag, an dem über seinen Club in der taz berichtet werden würde, und dann das: Eine Frau! Ich antwortete ja, ich sei die Strafe und sofort war die Stimmung super. *** Und eines Tages werde ich über diesen Tag und andere, sagen wir: interessante Begegnungen mal ein Buch schreiben.
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1 Kommentar

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  • ich kann verstehen das bei Gewichtheben differenziert wird, aber muss auch heute noch bei geistigen Wettkämpfen in 2 Lager aufgeteilt werden, je nachdem was die Teilnehmer in der Hose haben?