Editorial von Jean-Philipp Baeck:
Zwei Frauen, zwei Romnja, zwei starke Stimmen: Am Internationalen Tag der Roma vereint die Titelseite der taz zwei weibliche Positionen aus der Roma-Community in einem Bild. Es zeigt die Sängerin Esma Redžepova in einem Porträt, das die Künstlerin Małgorzata Mirga-Tas geschaffen hat.
Mirga-Tas lebt in Polen, in einer Roma-Siedlung in der Tatra, und ist eine international gefeierte Künstlerin. 2022 gestaltete sie den polnischen Pavillon auf der Biennale in Venedig. Die Stoffe, aus denen Mirga-Tas eine Reihe an Porträts erschaffen hat, stammen aus den Kleiderschränken der dargestellten Frauen. Romnja, die laut Mirga-Tas nach Veränderung streben und sich Gehör verschaffen wollen. Denn zu oft bleiben Roma unsichtbar.
Mit rund 12 Millionen Menschen bilden Roma die größte Minderheit Europas und sind gleichzeitig die Gruppe, die am stärksten von rassistischer Diskriminierung betroffen ist. Wenn über die Minderheit berichtet wird, dann oft über Probleme und anhand von Stereotypen. Doch Roma und Sinti sind selbstverständlich auch erfolgreiche Autorinnen, Sportlerinnen, Sozialpädagoginnen, Anwältinnen, Pflegehelferinnen, Psychotherapeutinnen, Politikerinnen und Superheldinnen. Sie alle kommen in dieser Ausgabe vor.
Auch wir Journalist*innen brauchen da noch Nachhilfe. Erst vor wenigen Tagen unterstützte Amaro Foro, eine transkulturelle Jugendselbstorganisation von Rom*nja und Nicht-Rom*nja, die taz mit einem Medientraining.
Wenn wir medial etwas über Roma und Sinti erfahren, spielt Rassismus oft explizit oder implizit eine Rolle. Zur Realität zahlreicher Roma in Europa gehört ein Hin und Her zwischen Abschiebungen und Bleiberechtskämpfen. Dass sie vor Rassismus und dessen Folgen fliehen, wird allerdings fast nie anerkannt. Bei der Migrationsabwehr wird auch ignoriert, dass Roma durch Nationalsozialisten verfolgt und ermordet wurden.
Tödlicher Rassismus gegen Roma hat bis heute Kontinuität, in Angriffen auf der Straße, in Pogromen, in Brandanschlägen auf Unterkünfte. Drei der neun Todesopfer des rechtsterroristischen Anschlags von Hanau waren Angehörige der Minderheit der Sinti und Roma. Durch die Polizei und in den Verwaltungen schlägt ihnen institutionelle Diskriminierung entgegen. Und vor der anstehenden Europawahl nutzen Rechtspopulist*innen antiziganistische Ressentiments zum Stimmenfang. Umso wichtiger ist es, dagegenzuhalten.
Mit der heutigen taz wollen wir dazu einen Beitrag leisten: In allen Ressorts legen Texte die Lebensrealität von Roma und Sinti in Deutschland und Europa dar. Viele Autor*innen aus den Communitys kommen selbst zu Wort. Um sichtbarer zu machen, was oft übersehen wird, werden heute ausschließlich Beiträge zu diesem Thema von einem Foto begleitet.
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