Unsicherheit in der DR Kongo: „Patrioten“ werden zum Problem
In der belagerten Metropole Goma nimmt die Gewalt zu. Jetzt weist die kongolesische Armee ihre paramilitärischen Hilfstruppen in die Schranken.
Die Millionenmetropole Goma direkt an der Grenze zu Ruanda ist seit Beginn des Jahres fast vollständig eingekesselt. Die Rebellen der M23 (Bewegung des 23. März) haben das ganze Gebiet rundherum eingenommen. Die Folgen: Hunderttausende Vertriebene haben sich in Lagern am Stadtrand niedergelassen. Die Lebensmittelpreise sind ins Unermessliche gestiegen.
Jetzt ist es neben Hunger und Starkregen die Unsicherheit, die die Menschen jede Nacht terrorisiert. Denn die kongolesische Armee hat alle verfügbaren Truppen in den Außenbezirken von Goma stationiert. Mittlerweile ist Goma die am meisten militarisierte Stadt in der ganzen Region, doch die Soldaten und Milizionäre sind – wie üblich im Kongo – seit Monaten nicht bezahlt worden und haben kaum Lebensmittelrationen. Vergangenen Donnerstag demonstrierten Soldaten-Ehefrauen vor dem Armeehauptquartier in Goma, weil seit vier Monaten kein Sold auf dem Konto eingetroffen sei.
Die M23-Rebellen, die sich mittlerweile mit anderen zum Bündnis „Allianz des Kongo-Flusses“ (AFC) zusammengeschlossen haben, nutzen die Lage aus. In einer Pressemitteilung nannten sie die Unsicherheit in Goma vor wenigen Tagen „unakzeptabel“ und forderten die dortige Bevölkerung auf, „gemeinsam gegen die kriminellen Taten von Tshisekedis Soldaten“ aufzustehen. Indirekt ist damit gemeint, dass die Kongolesen sich den Rebellen anschließen sollen: „Eine Bevölkerung, die nicht den Mut hat, sich gegen die Unterdrückung aufzulehnen, hat kein Recht, sich zu beklagen.“
Milizionäre sollen Bevölkerung in Ruhe lassen
Um der grassierenden Gewalt in Goma Herr zu werden, beschloss am Donnerstag die Militärverwaltung der Provinz, die seit 2021 unter Kriegsrecht steht, dass die Wazalendo-Milizionäre nicht mehr mit Waffen in die Stadt kommen dürfen, auch nicht in die Vertriebenenlager.
„Wir haben Maßnahmen ergriffen, um die Sicherheit mithilfe der Polizei in den Lagern zu stärken“, versicherte Militärgouverneur General Peter Cirimwami. „Als zweite Maßnahme haben wir die Milizionäre angewiesen, die Lager zu verlassen und die Bevölkerung in Ruhe zu lassen.“
Schwerbewaffnete Milizionäre
Aber die kongolesische Polizei ist noch schlechter bezahlt und ausgestattet als die Armee. Ob sie es mit schwerbewaffneten Milizionären aufnehmen kann, bleibt fraglich. Militärgouvereur Cirimwami bezichtigt unterdessen das Nachbarland Ruanda, die Unsicherheit in Goma mittels „Infiltranten“ angestiftet zu haben: „Es ist eine Strategie des Feindes, die darauf abzielt, Psychosen, Angst und Zwietracht in der Bevölkerung zu erzeugen“, sagte er.
Dieser Meinung sind auch die Wazalendo selbst: „Agenten aus Kigali und Kampala“ würden die Bevölkerung in Goma nun „terrorisieren“, erklärten sie.
Marion Kambale hingegen, Vorsitzender der organisierten Zivilgesellschaft in Goma, erklärt, die Unsicherheit habe ihre Ursachen in „Krieg“, „Arbeitslosigkeit“, „Anstieg der Lebenshaltungskosten“ sowie der umfassenden „Vertreibung der Bevölkerung“.
Immerhin führte ein Militärgericht jetzt einen Prozess gegen die mutmaßlichen Mörder von drei Zivilisten, die vergangenen Dienstag im Stadtviertel Majengo erschossen wurden. Am Samstag wurde der Beschuldigte Endondo Engulu, ein Soldat der kongolesischen Präsidialgarde, zum Tode verurteilt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!