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Illegale bekommen Behandlung

Der Malteser Hilfsdienst eröffnet im Kölner Hildegardis-Krankenhaus die erste ambulante Praxis für Menschen ohne Aufenthaltsrecht. Die Kölner Stadtspitze hat offenbar ein Stillhalten signalisiert

VON SUSANNE GANNOTT

Menschen ohne legale Aufenthaltsrechte können in Köln jetzt endlich ohne Angst zum Arzt gehen: Der Malteser Hilfsdienst eröffnete gestern offiziell im Lindenthaler Hildegardis-Krankenhaus eine ambulante Praxis für so genannte Papierlose: die „Malteser Migranten Medizin“ (MMM). Zwar richtet sich die Einrichtung im Prinzip an alle Menschen ohne Krankenversicherung; auch Deutsche könnten die kostenlose Hilfe in Anspruch nehmen, erklärte Johannes Freiherr Heereman, Geschäftsführender Präsident des Malteser Hilfsdienstes gestern bei der Vorstellung des Projekts. Vornehmlich gehe es jedoch um Menschen, die ohne Aufenthaltsrecht im Kölner Raum leben.

„Wir bewegen uns hier auf einem schwierigen Feld zwischen Erlaubtem und Unerlaubtem“, sagte Heereman. Da die anvisierte Zielgruppe Menschen in der Illegalität seien, „kann man nicht so einfach helfen, da sie nach Vorstellung des Staates eigentlich in Abschiebehaft gehören“. Man sei jedoch zuversichtlich, dass die Kölner Behörden die Arbeit der MMM nicht behindern – etwa indem Patienten vor der Praxistür verhaftet werden. „Es haben Gespräche auf höchster politischer Ebene mit der Stadt stattgefunden“, sagte Hubertus Graf von Plettenberg, Diözesanleiter der Malteser in Köln. Geführt wird die kostenlose Praxis für Jedermann vom Arzt Herbert Breker und einer Krankenschwester. Beide halten ab sofort ehrenamtlich jeden Donnerstag von 10 bis 14 Uhr Sprechstunde im Ursulahaus zwischen Hildegardis-Krankenhaus und Evangelischem Studentenwerk. Allerdings betrieben sie in den drei Räumen keine „richtige“ Praxis, betonte Breker. „Es ist mehr eine offene Anlaufstelle“, die nur kleine Fälle selbst behandelt und vor allem an Fachärzte weitervermittelt. Dafür werde man jetzt ein Netzwerk von Kollegen und Krankenhäusern aufbauen, erklärte der Arzt. Das Hildegardis-Krankenhaus, das auch die Praxisräume kostenlos zur Verfügung stellt, habe bereits zugesagt, Patienten zur stationären Behandlung aufzunehmen. Auch mit den Kölner Wohlfahrtsverbänden Caritas und Diakonie arbeite man zusammen, sagte Plettenberg. „Wir haben das gemeinsam entwickelt.“ Die Diakonie baue zudem nebenan im Studentenwerk eine soziale Beratung auf. „Denn bei vielen Illegalen gehen soziale und medizinische Probleme Hand in Hand.“

Wie viele Patienten das MMM künftig versorgen muss, kann noch niemand sagen – schließlich weiß man nicht einmal genau, wieviele Papierlose in Köln leben. „Laut Kölner Gesundheitsamt gibt es 10.000 bis 15.000 Illegale im Köln-Bonner Raum“, so Breker. Der Kölner Flüchtlingsrat schätzt allerdings, dass allein in Köln 25.000 Menschen ohne Papiere leben.

Schon seit Monaten fordert der Rat, dass für diese Menschen mehr getan werden müsse. Daher ist Geschäftsführer Claus-Ulrich Prölß über die neue Einrichtung „heilfroh“. Bisher habe es in Köln nur einzelne Ärzte gegeben, die bereit waren, Illegale kostenlos zu behandeln. Mit dem neuen Netzwerk sei jetzt endlich eine medizinische Rundumversorgung der Kranken durch Fachärzte und Krankenhäuser gewährleistet. „Außerdem gibt es jetzt mit den Maltesern erstmals eine offizielle Adresse, die auch noch den Segen der Politik hat.“

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