Gründerin über Portal kulturkanal.sh: „Kultur sollte immer Platz haben“

Pauline Reinhardt, Mitgründerin des Kulturjournalismus-Portals in Schleswig-Holstein, über Staatsknete und das Glück, keine Chefredaktion zu haben.

eine Frau mit roter Mütze steht an einem Ufer

Quer durchs Land: Der Nord-Ostsee-Kanal im Hintergrund und Pauline Reinhardts Kulturkanal im Netz Foto: Christoph Warda

taz: Glückwunsch zum neuen Job, Frau Reinhardt! Oder ist es gar keiner?

Pauline Reinhardt: Dankeschön. Wir arbeiten alle als freie Jour­na­lis­t:in­nen für den Kulturkanal. Es ist ein Job, aber kein Vollzeitjob.

Den haben Sie sich selbst geschaffen.

Ja, wir haben uns im Oktober gegründet, sind am Montag mit unseren ersten Texten online gegangen.

Leisten die Medien im Land nicht genug?

Ja, für Kultur gilt immer so was wie: „Können wir reinnehmen, wenn noch Platz ist.“ Wir sagen eben, für Kultur sollte immer Platz sein. Kultur ist so breit, dass man dafür ein eigenes Medium entwickeln kann, für ganz Schleswig-Holstein.

Die Zeitungen haben sich das Land in drei Drittel aufgeteilt. Schauen sie zu wenig über die Grenzen ihres Verbreitungsgebiets, was Kultur angeht?

Ja, ich würde das als ein Problem sehen. Gerade haben wir zum Beispiel über den Bücherbus geredet. Da können wir vergleichen dadurch, dass wir in verschiedenen Regionen Schleswig-Holsteins ansässig sind, auch aus sehr kleinen Orten berichten können: Wie läuft das an welchem Ort? Es gibt viele Themen, die sich dafür anbieten. Ich denke, da können die Regionen viel voneinander lernen. Wir können aber auch sagen, wir schauen uns die großen kulturpolitischen Themen an, die das ganze Land betreffen.

29, lebt in Pinneberg. Sie hat Kulturwissenschaften, vergleichende Literaturwissenschaft und Interdisziplinäre Polenstudien in Lüneburg, Prag und Halle studiert und auf Föhr am Museum Kunst der Westküste gearbeitet. Heute arbeitet sie als freie Journalistin für den NDR.

Tun das die anderen nicht?

Wir können uns mehr Zeit dafür nehmen. Das ist ja gerade im Tagesgeschäft häufig ein bisschen schwieriger.

Als Freie können Sie immer tiefer gehen – nur eben auf eigene Kosten.

Das besondere bei uns ist, dass wir keine Hierarchien haben. Wir haben keine Chefredaktion, das heißt, jede Person kann die Themen einbringen, an denen sie selber interessiert ist, natürlich in Absprache mit den anderen: Worüber berichten wir? Wie ausführlich?

Und wie findet Qualitätskontrolle statt?

Natürlich lesen wir gegenseitig Korrektur. So ist es nicht, dass jetzt jeder einfach irgendwas reinstellt. Wir sind alle gleichberechtigt, aber genauso kann man sagen, wir sind alle gegenseitig auch unsere Chefredaktion.

Kann man dann auch mal dem Kollegen sagen: Was du da geschrieben hast, ist übrigens totaler Mist, das machen wir nicht!

Ich hoffe, dass wir da offen genug kommunizieren.

Wie sieht Ihr Angebot inhaltlich aus?

Zum klassischen Kulturjournalismus gehören Kritiken. Dann wollen wir aber auch Menschen und Orte zeigen, die Kultur schaffen. Wir beschäftigen uns mit Kulturpolitik und haben ein paar kleine Rubriken, die Spaß machen sollen. Wir haben was zur plattdeutschen Sprache. Wir machen Spaziergänge, auf denen wir Orte subjektiv in Fotografien einfangen. Wir wollen auch in Dialog treten mit den Leuten, die uns lesen. Man muss sich anmelden, um die Artikel zu lesen. Es ist kostenlos, aber wir bitten um diese Registrierung, und dadurch wollen wir auch persönlichen Kontakt zu den Leuten herstellen. Wir sind offen für Themenvorschläge und Diskussionen.

Ich bin automatisch in der kostenlosen Kategorie „Nutz und Nießer“ gelandet. Da habe ich mich gleich schäbig gefühlt.

In ein paar Tagen oder Wochen werden wir auch auf freiwillige Unterstützung setzen. Wir wollen sagen: Unsere Arbeit hat einen Wert. Und wenn jemand dafür zahlen kann, freuen wir uns sehr. Aber natürlich verstehen wir auch, wenn Leute erst mal schauen wollen, was wir da überhaupt machen.

Staatsknete haben Sie auch bekommen.

Das stimmt. Es gab einen Wettbewerb der Medienanstalt HH/SH und der Staatskanzlei Schleswig-Holstein und wir haben gewonnen. Wir haben anscheinend überzeugt.

Ist das eine Dauerfinanzierung?

Nein, das ist ganz bewusst als Anschubfinanzierung gedacht. Neue Medienprojekte kann man nicht aus dem Hut zaubern. Das Ziel ist aber, dass wir uns langfristig selbst finanzieren können, über das freiwillige Unterstützungsmodell, und über Anzeigen.

Sie sind als Privatunternehmen gewinnorientiert – und treten in Konkurrenz zu regionalen Medien. Darf der Staat das finanzieren?

Es steht allen frei, uns dafür zu kritisieren, aber es war ein Wettbewerb mit öffentlicher Ausschreibung. Wir haben uns nicht irgendwelche Gelder erschlichen.

Zahlen Sie sich Honorare aus?

Die sechs Ge­sell­schaf­te­r:in­nen kriegen eine Gewinnausschüttung. Da kann man nicht von leben, aber wir machen es ja auch alle nicht voll beruflich.

Sie sind gar nicht alle Kultur­journalist:innen.

Nein, aber man muss nicht Kulturwissenschaften studiert haben, um über Kultur zu schreiben. Es ist ja auch unterschiedlich, was wir machen, also wer über welche Themen schreibt und in welcher Ausführlichkeit.

Warum haben Sie keinen Ticketverkauf integriert? Da könnte man doch Geld verdienen.

Ich würde gar nicht ausschließen, dass wir uns solchen Ideen noch widmen. Der Zustand, den wir gerade haben, ist nicht in Stein gemeißelt.

Heißen Sie Kulturkanal, weil der Nord-Ostsee-Kanal die Mitte zwischen den beiden Landesteilen Schleswig und Holstein ist?

Da kann man viel reinlesen. Für mich ist ein Kanal der Weg, über den man Themen an die Leute bringt.

Transparenzhinweis: Eine der sechs Grün­de­r:in­nen von kulturkanal.sh ist Esther Geißlinger, Schleswig-Holstein-Korrespondentin der taz.

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