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Ukraine-Flüchtlinge und der Arbeitsmarkt„Sprache oft die größte Hürde“

Ukrainische Flüchtlinge haben einen Sonderstatuts. Das hat Vor- und Nachteile. Ein Gespräch mit Andreas Peikert vom Jobcenter Marzahn-Hellersdorf.

Zentrale Fragen für geflüchtete Menschen in ihrer neuen Heimat (hier auf einer Berliner Jobmesse) +++ dpa-Bildfunk +++ Aufnahmedatum Foto: dpa/Jens Kalaene
Interview von Susanne Memarnia

taz: Herr Peikert, etwa 20 Prozent der Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine haben Arbeit. Manche sagen, das sei zu wenig. Warum ist das so?

Andreas Peikert: Aus meiner Sicht ist die Einschätzung, dass es mehr sein könnten, durchaus richtig. Die Ukrainer unterscheiden sich von anderen Flüchtlingsgruppen insofern, als sie einerseits besser qualifiziert sind, weil sie öfter eine Berufsausbildung haben. Andererseits sprechen sie schlechter Deutsch als der Durchschnitt. Dann sind es überwiegend Frauen mit Kindern – und wir haben zu wenig Kita- und Schulplätze. Wenn eine Mutter nicht weiß, wo sie ihr Kind vernünftig betreuen lassen kann, sucht sie nicht nach Arbeit.

Im Interview: 

Andreas Peikert

63, hat Politikwissenschaft studiert. Er leitet das Jobcenter Marzahn-Hellersdorf seit zweieinhalb Jahren. Die Behörde hat 460 Mitarbeitende und rund 20.000 Kunden.

In den Integrations- und Sprachkurs kann sie dann auch nicht gehen.

Es gibt schon Integrationskurse mit Kinderbetreuung in der Zwischenzeit. Aber sie haben völlig Recht, das ist eine Hürde. Das zweite große Problem ist der mangelnde Wohnraum. Diese Diskussion haben wir in Deutschland überall, aber in Berlin ist es ganz massiv. Und unsere Erfahrung ist: Wer nicht weiß, wo er und seine Lieben untergebracht werden, wer beim Wohnen keine Stabilität hat, hat Schwierigkeiten, sich mit dem Thema Arbeit auseinanderzusetzen. Das ist bei Deutschen genauso wie bei Ausländern.

Ist denn die Beschäftigungsquote bei Ukrainern schlechter als bei – sagen wir – Syrern und Afghanen, die es in Ihrem Bezirk auch viel gibt?

Die Konstellation ist einfach eine andere. Die Ukrainer haben das Privileg, direkt ins Jobcenter zu kommen, sie dürfen sofort arbeiten, bekommen Bürgergeld, die anderen haben den Umweg über die Asylbewerberleistungen. Das heißt: Wenn die Syrer und Afghanen zu uns kommen, nachdem ihr Asyl anerkannt wurde, sind sie schon eine Weile hier und haben die Deutschkurse oft schon gemacht. Sie sind also viel weiter und es ist leichter, sie zu fördern. Ukrainer, die fließend Englisch oder Deutsch sprechen, haben vielleicht auch gleich einen Job gefunden und sind gar nicht bei uns aufgetaucht. Von denen wissen wir nicht.

Aber die Ukrainer, die Bürgergeld bekommen, werden in einen Integrationskurs gesteckt und können also gar nicht arbeiten gehen?

Viele Arbeitgeber sagen uns, sie brauchen einfach Leute, die sich im Team verständigen können und denen man die Arbeitsschutzvorschriften verständlich machen kann. Die Sprachkenntnisse sind oft die größte Hürde. Es gibt ja in Berlin kaum noch einfache Produktion, wo man kein oder kaum Deutsch können muss zum Arbeiten. Jetzt haben wir viel Dienstleistungsgewerbe – da muss man eben etwas die Sprache beherrschen, ob in der Gastronomie oder im Einzelhandel. Darum haben wir Jobcenter, und da nehme ich auch die Bundesagentur für Arbeit gleich mit, gesagt, in der ersten Phase müssen die Ukrainer, die kein Deutsch oder mit Englischkenntnissen arbeiten können, erst mal Deutsch lernen.

Ukrainer und Arbeit

Rund 58.000 Ukrainer haben seit Kriegsbeginn eine Aufenthaltserlaubnis für Berlin bekommen. Von ihnen sind laut Arbeitsagentur mit Stand Dezember 52.898 im „erwerbsfähigen Alter“ (zwischen 15 bis unter 65) gemeldet, 63 Prozent von ihnen sind Frauen. 23.355 sind erwerbsfähig gemeldet, davon sind 9.116 arbeitslos, 5.466 besuchen zur Zeit einen Integrationskurs, 2.026 sind einen Schritt weiter und gehen in einen Berufssprachkurs, 1.355 arbeiten, verdienen aber zu wenig und bekommen daher ergänzendes Bürgergeld, 2.301 machen eine Ausbildung. (sum)

Manche fühlen sich dadurch benachteiligt, wollen nicht im Kurs festhängen.

Sie müssen den Kurs nicht machen! Aber wenn sie Bürgergeld haben möchten, müssen sie normalerweise fähig sein, mindestens drei Stunden am Tag zu arbeiten. Oder eben einen Sprachkurs zu machen. Wenn sie nicht bereit sind, diesen Weg einzuschlagen, dann muss man gucken, was wollen sie dann? Für viele die Ukrainer ist es sehr schwierig, das uns gegenüber zu artikulieren ohne Übersetzer. Aber die Community macht da sehr viel Eigendynamik.

Was meinen Sie?

Wir stellen immer mehr fest, dass die Leute sehr gut informiert sind, wenn es darum geht, was sie kriegen können. Wir bekommen massenweise Anträge für die Erstausstattung oder für Zusatzbedarfe, etwa für Schwangerschaft, oder für Arzneimittel oder andere Sachen. Da funktioniert die Community hervorragend. In anderen Fällen ist das Aufhalten in gleichsprachlichen Gruppen nicht förderlich. Wir haben leider die Erfahrung machen müssen, dass Ukrainer in Sprachkursen, wo sie weitgehend unter sich waren, oft nicht so gut Deutsch gelernt haben.

Was ist mit der Anerkennung von ausländischen Berufsabschlüssen? Man hört immer, das sei so langwierig?

Das dauert schon ein paar Monate, betrifft aber nur eine kleine Gruppe. Sie müssen ja unterscheiden zwischen staatlich anerkannten Ausbildungen wie Erziehern, Krankenpflegern, Ärzten, wo die Anerkennung zwingend notwendig ist, weil der Beruf staatlich organisiert ist, und allen anderen Berufen. Im handwerklichen Bereich, im industriellen Bereich, bei den meisten Dienstleistungen kann der Arbeitgeber selbst entscheiden, ob er jemanden einstellt. Die Schwierigkeit für uns ist vor allem: rauszukriegen, was jemand eigentlich kann. Entspricht das dem, was der Arbeitgeber bei uns erwartet? Das müssen wir versuchen zu klären, etwa über Probearbeiten oder eine Schulung. So etwas fördern wir auch, etwa indem wir in der Probezeit weiter Bürgergeld zahlen, oder einen Eingliederungszuschuss. Da gibt es viele Möglichkeiten.

Seit kurzem auch den „Job-Turbo“. Was ist das?

Das ist ein Förderprogramm für geflüchtete Absolventen der Integrationskurse, die Bürgergeld bekommen. Bei den Ukrainern intensivieren wir jetzt die Kontakte, alle sechs Wochen wollen wir sie sehen.

Bringt das was?

Ja schon. Man kann Rückkoppeln, schauen, was seit dem letzten Treffen geschehen ist, wo man vielleicht helfen kann. Ich würde mir das eigentlich für alle unsere Kunden wünschen, aber wir haben auch nur begrenzte Ressourcen. Wenn ich die eine Gruppe öfter sehe, sehe ich andere nicht ganz so häufig. Aber die erste Hälfte 2024 ist jetzt die Ukraine dran. Dann geht hoffentlich auch die Beschäftigungsquote rauf. Denn ich muss sagen, als von diesen 20 Prozent gehört habe, hat mich das nachdenklich gestimmt.

Warum?

Wenn wir hier im Jobcenter eine gute Integrationsquote haben, also Menschen in Arbeit gebracht, dann liegt die vielleicht bei 25 bis 30 Prozent. Deutsche, Ausländer, alle zusammen. Die Ukrainer haben die erwähnten Vor- und Nachteile, von daher muss man sehen, ob wir diesen Schnitt bei ihnen schaffen. Eine richtig gute Quote wäre für uns wären 30 Prozent. Aber wir können nie von der Integrationsquote direkt auf die Beschäftigungsquote aller schließen, die wird dann hoffentlich noch deutlich größer werden.

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11 Kommentare

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  • Es gibt keine Übersetzer für Ungarisch?



    Sowas.

  • In den USA liegt die Arbeitslosenquote bei Refugees bei unter 4%. Im Schnitt dauert es dort 3 Monate bis zur Aufnahme einer Vollzeitbeschäftigung. Nach 5 Jahren verdienen Refugees dort genauso im Schnitt wie Einheimische und nach 10 Jahren wird der Verdienst sogar übertroffen. Nur mal einige Kennzahlen aus einem erfolgreichen Einwanderungsland zum Vergleich.

    • @Šarru-kīnu:

      Das dürfte daran liegen, das sich Länder wie die USA 1. ihre Zuwanderer möglichst selbst aussuchen und vor Allem 2. die Zuwanderer aufgrund fehlender staatlicher Leistungen umgehend eine Arbeit aufnehmen müssen. Arbeit integriert.

      In Deutschland wird den Zuwanderen die Arbeitsaufnahme oft untersagt. Oder irgendeine andere Behörden sabotiert eine mögliche Arbeitsaufnahme. Für Arbeitsschutz verantwortliche Behörden können z.B. die Beschäftigung untersagen, wenn ein Zuwanderer Arbeitsschutzvorschriften nicht lesen kann. Das kann sogar Auszubildende im Hotelgewerbe betreffen.

      Schuld an der Misere ist, daß heute kaum noch jemand nach gesundem Menschenverstand handeln kann, sondern nur nach Vorschrift.

      Detaillierte Verschriftlichungen schalten jeden Flexibiltät aus. Jeden, der aufgrund eigener Einschätzung wagt, etwas zu versuchen oder abzukürzen, trifft dann die Schuld.

      • @Donald Duck:

        Meine Angaben beziehen sich explizit auf Refugees also nicht auf alle Migranten. Wenn alle Migranten berücksichtigt würden, fällt die Statistik sogar noch negativer für uns aus. Die USA haben ja eine starke Migration aus Ostasien (China, Vietnam usw.) Migranten aus dieser Region schneiden traditionell sehr stark ab in allen Kategorien, weshalb in den USA Migranten meist besser abschneiden als Einheimische bei Bildung, Einkommen und anderen Kennzahlen. Da ist unsere Ausgangsposition etwas anders mit Hauptherkunftsländern mit den schlechtesten Bildungssystemen der Welt.



        Grundsätzlich funktioniert Integration am besten über den Arbeitsplatz. Diese ganzen Kurse und Programme hierzulande sind doch alle nur Gedöns.

        • @Šarru-kīnu:

          Sprachkurse und Unterricht in deutscher Rechtsordnung und Arbeitsgesetzen ist für Sie Gedöns?

          Weiterbildungen mit integrierten Praktika?

  • Die hier angeführten Probleme haben, bis auf die Sprache, alle die gerne arbeiten würden, ob nun Ukrainer oder nicht. Ich frage mich nur, warum in anderen Ländern deutlich mehr Ukrainer arbeiten, trotz Sprachproblemen. Kann man in Deutschland auch ohne zu arbeiten relativ gut leben, fehlt der Anreiz ?

    • @Filou:

      Zitat:



      "... bis auf die Sprache ..."

      Genau das ist hier in Deutschland der große Haken bei der Arbeitsmarktintegration nicht nur von Ukrainern, sondern generell von Migranten.

      Wo außerhalb von Deutschland, Österreich und Teilen der Schweiz wird denn auf der Welt sonst noch Deutsch gesprochen oder zumindest in größerem Umfang in den Schulen und/oder Hochschulen gelehrt?

    • @Filou:

      Kannst du einen Link zu den Zahlen in anderen Ländern posten?

    • @Filou:

      In Skandinavien, Niederlanden kommt man mit Englisch sehr weit.

    • @Filou:

      In Polen dem Hauptaufnahmeland ukrainischer Geflüchteter liegt die Beschäftigungsquote derzeit bei 71%. Natürlich haben Ukrainer in Polen deutlich kleinere Sprachprobleme. Es gibt weniger Bürokratie, niedrigere Steuern, bessere Kinderbetreuung usw. was es für Arbeitssuchende natürlich zu einem deutlich attraktiveren Ziel macht als Deutschland.



      Wir dagegen sind als Zielland eher bei anderer Ausgangslage deutlich interessanter. Das eine ukrainische Mutter bei fehlendem Kitaplatz hier nicht für 200€ mehr als H4 Vollzeit arbeiten geht, ist menschlich doch völlig nachvollziehbar. Am besten funktioniert die Integration von Migranten traditionell in Ländern ohne ausgeprägtem Sozialstaat wie den USA. Das Migration und Sozialstaat deutscher Ausprägung schlecht miteinander in Einklang zu bringen sind, ist ja ein alter Hut.

      • @Šarru-kīnu:

        Ich stimme Ihnen zu, dass Integration am besten über Arbeit funktioniert.

        Aber zu sagen, das unser Sozialstaat Integration behindert, ist verallgemeinernder Quatsch.

        Er verhindert vor allem Armut und Kriminalität und sorgt für gesellschaftliche Stabilität.

        Wenn Sie sich mal in migrantischen Communities umtun würden, würden Sie unglaubliche Erfolgsgeschichten in Deutschland sehen. Einfach mal die Augen auf machen und mit echten Mensche reden.