Die Wahrheit: Einsatz an der Remigrationsfront

Was geschieht eigentlich, wenn eine Deutsche nach Deutschland wiedereingebürgert werden soll? Ein wahrlich unterhaltsames Kinderspiel.

Remigration ist das rechtsextreme Modewort der Stunde und keine Einbahnstraße. Seit Weihnachten kümmere ich mich um eine nahe Verwandte. Sie ist 45, mittellos, und will nach 20 Jahren in Spanien nach Deutschland remigrieren.

Einstweilen wohnt sie bei mir. Sie hat zwei Katzen und ihre halbwüchsige Tochter dabei, ist so deutsch wie Pumpernickel und hat eine solide Ausbildung im Gesundheitswesen. Jetzt suchen wir einen Job, eine Schule für die Tochter und eine Wohnung. Ein großer Spaß für die ganze Familie!

Das Arbeitsamt erklärt sich für „nicht zuständig“ und schickt sie zum Jobcenter. Das ist geschlossen. Einen Termin kann man nur im Internet machen, und der ist dann in vier Wochen. Nach vier Wochen und fünf Minuten erklärt sich das Jobcenter für „nicht zuständig“ und schickt sie zum Sozialamt. Beim Sozialamt schütteln sie den Kopf, erklären sich für „nicht zuständig“ und verweisen die Arbeitssuchende zurück an das Jobcenter. Dem Jobcenter fehlen jetzt noch spanische Nachweise sozialversicherungspflichtiger Arbeit, bevor ein Antrag auf irgendwas überhaupt angelegt werden kann – geschweige denn bearbeitet.

Ähnlich geschmeidig läuft die Suche nach der richtigen Schule. Zuerst telefonierte meine Verwandte die Schulen in der Gegend selbst ab. Sie erklären sich für „nicht zuständig“, da müsse sie auf dem Schulamt vorstellig werden. Das Schulamt ist nicht zuständig, weil das Kind besser Spanisch als Deutsch spricht. Für solche Fälle gibt es ein „Aufnahme- und Beratungszentrum“, das für Aufnahme und Beratung vier volle Wochen verplempert. Dann erst wird meine Verwandte informiert, dass sie zuerst einmal ein Formular ausfüllen und die spanischen Zeugnisse offiziell ins Deutsche übersetzen lassen muss. Ich bin kurz davor, uns beim Jugendamt wegen Verwahrlosung selbst anzuzeigen.

Die Suche nach einem bezahlbaren Dach über dem Kopf ist ebenfalls ein unterhaltsames Kinderspiel. Wer sich beim örtlichen Wohnungsamt auf die Liste mit den Anwärtern für Sozialwohnungen setzen lassen will, darf nicht zu viel, nicht zu wenig, aber auch nicht gar nichts verdienen – und muss Nachweise der letzten drei Monatsgehälter vorlegen. Ach ja, und krankenversichern muss meine Verwandte sich erst einmal privat. Erst danach kann der Antrag auf Übernahme der Kosten für die gesetzliche Krankenversicherung bearbeitet werden. Das dauert dann „drei bis vier Monate“.

Ich habe keine Ahnung, am Ende welchen Regenbogens der Topf mit diesem ominösen „Bürgergeld“ steht – und ob ukrainische oder syrische Flüchtlinge stets ihre Sozialversicherungsnachweise zur Hand haben. Wer es schafft, es sich in der „sozialen Hängematte“ (Christian Lindner) bequem zu machen, verdient jedenfalls meinen vollen „Respekt“ (Olaf Scholz). Das ist härter als jede Arbeit.

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kari

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