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Die WahrheitPolyamore Pinguine

Neues aus Neuseeland: Was treiben 17 gerettete, possierliche Blaupinguine eigentlich so auf der Südhalbkugel? Spoiler: Es geht ordentlich was ab.

W as war da noch im Schaltjahr-Februar? Richtig, der Valentinstag. Der verlief für menschliche Kiwis meines Alters eher unspektakulär. Nicht aber für eine weit romantischere Spezies. Das International Antarctic Centre in Christchurch nahm den weltweiten Feiertag aller Turtelnden zum Anlass, um Einblicke ins Liebesleben seiner 17-köpfigen Kolonie geretteter Blaupinguine zu geben. Denn was dort an polyamoren Umtrieben abgeht, geht auf keine Robbenhaut.

Da ist zum Beispiel Turkey, die 2007 verletzt in der Natur aufgelesen und ins gekühlte Gehege der Touristenattraktion gebracht wurde. Die kleine graue Dame ist auf einem Auge blind und hat einen Hirnschaden. Obwohl sie es in typischer Anmachmanier unermüdlich mit Flossenflattern, Tänzeln, Trompeten und Tirilieren versucht, ist Turkey auch nach sechs Jahren noch immer Single. Denn ihre Zunge ist halbseitig gelähmt. Das macht den Gesang leider unsexy.

„Sie flirtet mit Jungs und sie flirtet mit Mädchen“, berichtet Teamleiterin Alyson Findlay, die die Poussierer am Antarktiszentrum betreut und täglich vor Besuchern füttern lässt. „Sie flirtet mit jedem, der ihr zuhört, aber niemand hat sich bisher für sie entschieden.“ Dabei ist die Auswahl gendermäßig egalitär bis beliebig. „Gleichgeschlechtliche Beziehungen sind bei vielen Seevögeln üblich.“ Was in freier Wildbahn jedoch nicht üblich sei, so Findlay, seien die flotten Dreier ihrer Schützlinge.

Pinguine wachsen als Casanovas über sich hinaus

Gerade mal 43 Zentimeter werden Neuseelands kleinste Pinguine groß, aber als Casanovas wachsen sie über sich hinaus. Nick Bond ist ein Männchen, das einen Zeh durch einen Hund am Strand verlor. Als Nick in die Kolonie einzog, begann er sich sofort für das Weibchen Pedro zu interessieren. Vier Jahre lang waren sie glücklich, bis die flotte Kiko auftauchte. Nick sei „sehr empfänglich“ für eine zweite Freundin gewesen, so Dating-Beobachterin Findlay, „aber leider wollten die Mädels ihn sich nicht teilen.“

Pedro zog den Kürzeren und wurde aus der Beziehung gedrängt. Aber sie gibt so schnell nicht auf. Als Stalkerin hängt sie seitdem vor Nick und Kikos Bau ab und schmettert ihre Serenaden, sobald die beiden auftauchen. Trällern hat nämlich bereits bei einem anderen Paar funktioniert: Yappy und Squirt, seit 21 Jahren zusammen, öffneten letztes Jahr ohne Querelen ihre Beziehung und ließen die jüngere Bright-Eyes hinein. Beide konnten ihrem Gesang nicht widerstehen.

Die sexpositiven Flattermänner und -frauen durchleben aber auch Scheidungen und zeigen Trauer, wenn ein Partner stirbt. Progressiv gehen sie auch mit körperlichen Behinderungen um. Das neueste Pärchen der Kolonie, Tahi und Lizzy, hat gemeinsam drei heile Flossen und Füße vorzuweisen und macht das Beste draus.

Nachwuchs kann jedoch keiner der balzenden Insassen zeugen, da Neuseeland kein Programm fürs Brüten hinter Gittern hat. Da bleibt mehr Zeit für die Liebe.

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Anke Richter
Anke Richter ist Wahrheit-Kolumnistin, Buch-Autorin und Mitglied von Weltreporter.net in Neuseeland. Zuletzt erschien von ihr die Auswanderersatire "Was scheren mich die Schafe. Unter Neuseeländern - Eine Verwandlung" (Kiepenheuer & Witsch).
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