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Dreikampf um Berliner SPD-SpitzeSPD entdeckt die Basisdemokratie

Erstmals sollen Berliner SPD-Mitglieder direkt über ihre künftige Doppelspitze entscheiden. Drei Duos stehen zur Wahl, der Ausgang ist komplett offen.

Der Alte will auch der Neue sein: SPD-Landeschef Raed Saleh mit Co-Kandidatin Luise Lehmann Foto: Fabian Sommer/dpa

Berlin taz | Die Hauptstadt-SPD will bei der Wahl ihrer künftigen Doppelspitze erstmals die Parteibasis entscheiden lassen. Ein entsprechender Beschluss des Landesvorstands der Partei fiel eindeutig aus. Für eine Beteiligung der rund 18.000 Ge­nos­s:in­nen an der Chef:innen-Findung stimmten am Montagabend 23 Vorstandsmitglieder, sechs votierten dagegen, drei enthielten sich. Der klassische Weg – eine Parteitagsentscheidung ohne vorgeschaltete Basisbefragung – ist damit vom Tisch.

Insgesamt drei Be­wer­be­r:in­nen­du­os stehen nun auf dem Wahlzettel. Zuerst hatten Anfang Februar Neuköllns Bezirksbürgermeister Martin Hikel und Ex-Sportstaatssekretärin Nicola Böcker-Giannini öffentlich ihre gemeinsame Kandidatur erklärt, beide werden dem rechten Parteiflügel zugerechnet. Es folgten vom linken Parteiflügel der Kreischef von Charlottenburg-Wilmersdorf und die Vorsitzende der Berliner SPD-Frauen, Kian Niroomand und Jana Bertels.

Zuletzt präsentierten sich der amtierende Co-Landeschef Raed Saleh und die Bezirksverordnete Luise Lehmann aus Marzahn-Hellersdorf als alles versöhnende „Lösung auf die Fragen, die die SPD beschäftigt“. Wer von den drei Duos das Rennen an der Basis macht, gilt selbst parteiintern als offen. Spätestens am 18. Mai soll das Siegerduo feststehen, das eine Woche später auf dem Parteitag vom Landesvorstand als neue Doppelspitze vorgeschlagen wird.

Eine teure Angelegenheit

Die neue sozialdemokratische Basisdemokratie hat freilich ihren Preis. So wird damit gerechnet, dass keines der drei Duos bei dem in der ersten Aprilhälfte laufenden ersten Wahlgang über 50 Prozent kommt, sodass es für die beiden bestplatzierten Anfang Mai in die Stichwahl geht. Letztlich könnte das Mitgliedervotum die finanziell ohnehin nicht auf Rosen gebettete Berliner SPD nach taz-Informationen damit bis zu 100.000 Euro kosten.

Weniger der Kosten wegen als mit Blick auf seine Erfolgschancen soll nicht zuletzt Raed Saleh lange zwischen der Option eines Basisentscheids und der eines Showdowns der drei Duos auf der offenen Bühne des Parteitags geschwankt haben. Offiziell erklärte er noch vor zwei Wochen: „Beide Wege wären vernünftige Wege.“

Davon ist keine Rede mehr. „Da nun drei Kandidatenteams antreten, ist eine breite Beteiligung der Genossinnen und Genossen auch eine Frage des Respekts“, sagte Saleh am Dienstag nach der Vorstandsitzung zur taz. Letztlich komme es jetzt „auf die besseren Argumente und das bessere Angebot“ an.

Saleh baut auf das Motto: Keine Experimente

In der SPD heißt es, Saleh baue darauf, dass er an der Basis als Symbol des Altbewährten wahrgenommen werden könnte. Als Mittelweg zwischen einem linken Duo, das die SPD nach den Wahlklatschen der vergangenen Jahre lieber auf der Oppositionsbank sähe, und einem rechten Duo, das bereits deutlich gemacht hat, dass sich Berlin linken Sozialklimbim nicht länger leisten kann. Altes Adenauer-Motto: keine Experimente.

Dass die Rechnung aufgeht, ist nicht gesagt. Im vergangenen Jahr beim Basisentscheid zum schwarz-roten Koalitionsvertrag schleppten sich Saleh und Noch-Landeschefin Franziska Giffey trotz intensiven Werbens für das Bündnis mit der CDU nur mit Hängen und Würgen über die nötige 50-Prozent-Marke.

Seither hat die SPD nicht nur Umfragen zufolge weiter an Boden verloren. In den 455 Wahlbezirken, in denen am 11. Februar die Bundestagswahl wiederholt wurde, rauschte die Partei um fast 8 Prozentpunkte runter auf 14,6 Prozent. Auch wenn Saleh im Anschluss auf den Bundestrend verwies: Sollte es schlecht laufen für Saleh, könnte die Basis durchaus zu demselben Schluss kommen wie das konkurrierende Duo Niroomand und Bertels: „Es ist Zeit wegzukommen von der Kultur des unbedingten Machterhalts.“

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