piwik no script img

KI in der PsychotherapieChatbots bei der Therapiesuche

Psychisch Erkrankte empfinden die Suche nach der passenden Therapie oft als sehr belastend. Bots können da Abhilfe schaffen, sagt eine neue Studie.

Die richtige Therapeutin zu finden, ist nicht einfach. Bots können dabei helfen Foto: Mary Evans/imago

Wer in Deutschland einen Psychotherapieplatz sucht, steht vor immensen Herausforderungen. Nicht nur, weil es an Therapieplätzen mangelt, sondern auch, weil die Suche nach den richtigen The­ra­peu­t:in­nen mühsam, langwierig und psychisch belastend sein kann. Für viele geht sie mit Schamgefühlen und Angst vor Stigmatisierung einher.

Das britische Start-up Limbic entwickelt Technologien und Tools speziell für die Psychotherapie. Unter anderem ist darunter ein KI-Chatbot, „Limbic Access“, der Betroffenen helfen soll, die richtige Therapieform für sich zu finden. Der Bot soll empathisch Fragen stellen und die Betroffenen so durch entsprechende Fragebögen leiten, um die Selbstüberweisung an die richtigen The­ra­peu­t:in­nen zu vereinfachen.

Die Studie

Bringt der Bot überhaupt was? Das wollten Mitarbeitende von Limbic herausfinden, indem sie die Anzahl der Selbstüberweisungen durch die Nutzung des Chatbots überprüften. Die Mitarbeitenden nutzten dafür Daten des National Health Systems (NHS) über 129.400 Personen aus, die einen von 28 Therapievermittlungsservices genutzt hatten. Die Hälfte davon hatte den KI-Chatbot implementiert. Außerdem wurden etwa mehr als 42.000 Feedback-Einträge ausgewertet, die Nut­ze­r:in­nen der Chatbots abgegeben hatten.

Das Ergebnis wurde jetzt im Fachblatt Nature Medicine publiziert: Die Zahl der Selbstüberweisungen mit Chatbot stieg um 15 Prozent, die ohne dagegen nur um 6 Prozent. Vor allem Minderheiten schienen zu profitieren: Bei nicht binären Personen stieg die Anzahl der Selbstüberweisungen um 179 Prozent, bei Männern und Frauen dagegen nur um 16 bis 18 Prozent. Ähnliche Muster, wenn auch weniger stark, ließen sich bei lesbischen, schwulen und bisexuellen Menschen beobachten, und bei Menschen, die sich einer ethnischen Minderheit zugehörig fühlen.

wochentaz

Dieser Text stammt aus der wochentaz. Unserer Wochenzeitung von links! In der wochentaz geht es jede Woche um die Welt, wie sie ist – und wie sie sein könnte. Eine linke Wochenzeitung mit Stimme, Haltung und dem besonderen taz-Blick auf die Welt. Jeden Samstag neu am Kiosk und natürlich im Abo.

Was bringt’s?

Die Au­to­r:in­nen der Studie schlussfolgern, dass KI-Chatbots insgesamt den Zugang zu Therapien erleichtern könnten. Als Gründe nennen sie, dass Menschen im Gespräch mit KIs weniger Hemmungen haben, persönliche Informationen zu teilen als mit menschlichen Gesprächspartnern. Die Auswertung der Feedbackeinträge bestätigte dies: Insbesondere Minderheiten schätzen explizit die Abwesenheit von Menschen wert, weil sie nicht befürchten mussten, stigmatisiert oder verurteilt zu werden. Außerdem seien Chatbots einfach und praktisch, so die Autor:innen. Das deckt sich mit den Feedbackeinträgen der User:innen.

Ob Chatbots auch im deutschen Therapiesystem gut ankommen würden? Vergleichbare Ansätze gibt es immerhin schon. Zum Beispiel gibt es die iCan-App, die speziell für junge Menschen mit Depressionen ausgelegt ist. Darin ist ein Chatbot implementiert, der zu therapeutischen Trainigseinheiten animiert.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!