: Wertungsfreies Wissen
SCHULE Das Fach Religion ersetzt den „Biblischen Geschichtsunterricht“. Ziel ist ein glaubensunabhängiger gemeinsamer Unterricht. Dessen „allgemein christliche Grundlage“ bleibt allerdings Teil der Verfassung
Ismail Baser, Schura
Der biblische Geschichtsunterricht ist – Geschichte. Bereits ab dem kommenden Schuljahr soll diese Bremer Besonderheit, kurz „BGU“ genannt, durch das neu zu schaffende Fach Religion ersetzt werden, sagte gestern die Sprecherin der Bildungssenatorin, Karla Götz.
Damit endet ein mehrjähriger rot-grüner Koalitionsstreit darüber, wie der Religionsunterricht die Integration von Muslimen besser fördern kann als bisher. „Wir sind überzeugt, dass ein gemeinsamer Unterricht einen Beitrag zu einem friedlichen Miteinander leisten kann“, sagte gestern die religionspolitische Sprecherin der Grünen, Kirsten Kappert-Gonther, die ein Positionspapier ihrer Fraktion zum Thema vorstellte.
In dem neuen Fach soll danach wertungsfrei Wissen über Religionen und Weltanschauungen vermittelt werden. Darüber hinaus, so Kappert-Gonther, sei es Ziel des Unterrichts, dass Schüler und Schülerinnen verschiedener Glaubensrichtungen und auch solche, die an nichts glauben, miteinander ins Gespräch kämen. Schließlich sei die letzte Gruppe mittlerweile die größte.
Anders als noch vor drei Jahren, als der heutige grüne Landesvorsitzende Hermann Kuhn die Debatte um eine Abschaffung des BGU angezettelt hatte, wollen die Grünen dafür nicht mehr die Landesverfassung ändern. Der Grund: Die SPD lehnt dies ab – angeblich aus Sorge um die „Bremer Klausel“ im deutschen Grundgesetz. Diese überträgt dem Staat – und nicht, wie in anderen Bundesländern, den Kirchen – die Verantwortung für den Religionsunterricht.
VerfassungsrechtlerInnen hatten wiederholt darauf hingewiesen, dass eine Änderung des Textes der Landesverfassung keine Auswirkungen auf das Grundgesetz haben würde. Dennoch bleibt es wegen der SPD dabei, dass es an Bremer Schulen einen „bekenntnismäßig nicht gebundenen Unterricht in Biblischer Geschichte auf allgemein christlicher Grundlage“ gibt. Dies sei ein Widerspruch zu dem erklärten Ziel, einen neutralen Unterricht anzubieten, bestätigte Kappert-Gonther. Deshalb sei es wichtig, dass jetzt die Bildungsbehörde ein Unterrichts-Curriculum ausarbeite, das die von der Politik formulierten Ansprüche umsetzt.
Der Behördenvorschlag soll dann von einem noch zu gründenden Beirat beraten werden. Welche Religionen in diesem vertreten sein sollen, ist nach Auskunft der Behörde noch offen. Bisher seien nur Gespräche mit VertreterInnen der beiden christlichen Kirchen geführt worden.
Die Schura Bremen, ein Zusammenschluss verschiedener muslimischer Gemeinden, begrüßte gestern das Vorhaben. Dass der Passus „auf allgemein christlicher Grundlage“ nicht verändert würde, sei bedauerlich, so der stellvertretende Schura-Vorsitzende Ismail Baser. „Aber das ist ein Kompromiss, mit dem wir leben können.“
Baser verweist darauf, dass die Universitäts-Ausbildung der Lehrkräfte noch zu sehr auf den alten BGU zugeschnitten sei. Ein Thema, das auch die Grünen anschneiden wollen, so Kappert-Gonther. Keine Antwort wollte sie gestern auf die Frage geben, wann das Kopftuchverbot für Lehrerinnen aus dem Bremer Schulgesetz gestrichen wird. In diesem ist in Paragraph 59 b das „äußere Erscheinungsbild der Lehrkräfte“ geregelt, das „die religiösen und weltanschaulichen Empfindungen der Schülerinnen und Schüler und der Erziehungsberechtigten“ nicht stören darf. Nach einem Gerichtsurteil sind nur Referendarinnen von dieser Vorschrift ausgenommen.
Während die grüne Fraktion derzeit immerhin eine Position zum Kopftuchverbot abstimmen will – und dazu am 24. März zu einer Podiumsdiskussion lädt – ist dies für die SPD derzeit kein Thema. „Das werden wir bestimmt mal wieder aufrufen“, sagte deren bildungspolitischer Sprecher, Mustafa Güngör. Er sehe allerdings keinen dringenden Handlungsbedarf. EIKEN BRUHN
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