Verwässerung zu befürchten: Schlichtungsversuch zu Lieferkette

Ein EU-Gesetz soll verhindern, dass für Produkte Menschenrechte verletzt werden. Die FDP und damit die Bundesregierung machen nicht mit.

Eine Hand und zwei Knäuel mit bunten Baumwollfäden

Textilfabrik in Ägypten: Geschädigte Ar­bei­te­r:in­nen von Zulieferfabriken könnten Schadenersatz von hiesigen Auftraggebern einklagen Foto: Mohamed Abd el Ghany/reuters

BERLIN taz | Es sieht nicht gut aus für die europäische Lieferketten-Richtlinie. Kurz vor Ende der offiziellen Fristen laufen in Brüssel die möglicherweise letzten Verhandlungen – mit ungewissem Ausgang.

Die Richtlinie soll europäische Unternehmen ab 500 Beschäftigten zur Sorge um die Menschenrechte in ihren weltweiten Zulieferfabriken verpflichten. Hiesige Auftraggeber wie Supermärkte und Textilhändler müssten dazu beitragen, dass die ausländischen Ar­bei­te­r:in­nen beispielsweise Mindestlöhne erhalten und Mindesturlaub in Anspruch nehmen können.

Das unterstützen sogar viele der potenziell betroffenen Unternehmen. Den Juristen Markus Krajewski erstaunt das nicht: Im Vergleich zur bisherigen Situation würden deutsche Firmen durch die Regelungen mehr Rechtssicherheit bekommen, argumentiert der Professor für Völkerrecht der Universität Erlangen-Nürnberg. Neben neuen Pflichten gäbe es also auch neue Vorteile für die Wirtschaft.

Kurz vor dem endgültigen Beschluss des Lieferkettengesetzes auf europäischer Ebene legte allerdings die FDP ihr Veto ein, sodass sich die Bundesregierung bei der noch ausstehenden Abstimmung der EU-Mitgliedstaaten enthalten muss. Weil deshalb bisher keine Mehrheit zustande kam, unternimmt die belgische Regierung, die aktuell den Vorsitz des Rats hat, nun noch einmal einen Kompromissversuch.

Das deutsche Lieferkettengesetz geht nicht so weit

Einer der strittigen Punkte ist die zivilrechtliche Haftung für Unternehmen, die die EU-Richtlinie enthält. Geschädigte Ar­bei­te­r:in­nen von Zulieferfabriken könnten Schadenersatz von hiesigen Auftraggebern einklagen. Das kritisieren unter anderem deutsche Wirtschaftsverbände und die FDP. Nach Ansicht von Rechtsprofessor Krajewski würden Unternehmen damit aber nicht schlechter fahren.

Denn nach der Analyse des Juristen stellt sich die Lage augenblicklich so dar: Auch heute müssten Unternehmen für Schäden haften, die sie verursachen. Allerdings kommt dabei „nach internationalem Privatrecht das Recht des Schadensorts zur Anwendung, bei Schäden im Ausland also ausländisches Recht.“ Daran habe das deutsche Lieferkettengesetz, das bereits in Kraft ist, nichts geändert, sagt Krajewski.

Reichen beispielsweise pakistanische Beschäftigte hierzulande eine Klage gegen ein deutsches Unternehmen ein, muss das hiesige Gericht auf Basis von pakistanischem Recht entscheiden. Damit jedoch ist hier kaum jemand vertraut. Die Folge: Rechtsunsicherheit.

„Demgegenüber soll die EU-Lieferketten-Richtlinie regeln, dass das Heimatrecht des beklagten Unternehmens gilt, also deutsches Recht, wenn die Firma in Deutschland sitzt“, erklärt Krajewski. „Aus meiner Sicht ist das für hiesige Unternehmen von Vorteil, weil sie sich mit der Rechtsordnung auskennen.“

Im Zuge der Verhandlungen um einen Kompromiss erscheint es währenddessen möglich, dass die Richtlinie abgeschwächt wird. Einem Bericht des Informationsdienstes Euractiv zufolge will die französische Regierung die Untergrenze für Unternehmen von 500 auf 5.000 Beschäftigte heraufsetzen. Dann würden statt 15.000 Firmen nur noch etwa 1.400 Unternehmen unter die Richtlinie fallen.

Eventuell wird sich der Rat der Mitgliedstaaten noch diese Woche mit dem Konflikt befassen. Eine Abstimmung ist aber bisher nicht geplant. Aus dem Europäischen Parlament heißt es, dass ein Verhandlungsergebnis spätestens in der kommenden Woche vorliegen müsse, um die abschließende Entscheidung noch in dieser Legislaturperiode vor den Europawahlen im Juni zu ermöglichen.

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