Verfahren gegen Neonazi in Braunschweig: Bewährung wegen „Judenpresse“

Das Braunschweiger Amtsgericht verurteilt einen Neonazi: Er hatte mehrere Journalisten beleidigt und sich wegen Volksverhetzung schuldig gemacht.

Neonazi Martin Kiese steht neben seinem Anwalt im Gerichtssaal

Im Thor-Steinar-Hemd vor Gericht: Neonazi Martin Kiese am Donnerstag in Braunschwei Foto: David Speier

BRAUNSCHWEIG taz | Der Neonazi Martin Kiese wurde am Donnerstag vom Amtsgericht Braunschweig wegen Beleidigung und Volksverhetzung zu zehn Monaten Haft auf Bewährung verurteilt. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass Kiese im Rahmen von mehreren rechten Demonstrationen Journalisten beleidigt und sich der Volksverhetzung schuldig gemacht hatte.

2020 hatte er an einer NPD-Kundgebung in Braunschweig anlässlich des Volkstrauertags teilgenommen und dort Journalisten „Judenpresse“, „Verdammte, Feuer und Benzin für euch“ und „Judenpack“ zugerufen. Der Journalist Moritz Siman filmte damals Kieses Aussagen und veröffentliche sie auf X (vormals Twitter). Die Staatsanwaltschaft ermittelte, stellte das Verfahren jedoch zwei Mal mit der Begründung ein, dass die Worte „Jude“ und „Judenpresse“ objektiv keine Beleidigung darstellen würden.

Erst nach diversen Beschwerden aus der Zivilgesellschaft, die den antisemitischen Gehalt der Aussagen betonten, erhob die Generalstaatsanwaltschaft im Sommer 2023 Anklage. Siman erzählte vor Gericht, er habe sich durch die Aussagen damals bedroht, angegriffen und beleidigt gefühlt.

Kiese selbst behauptete, er habe die Drohungen nicht gegen die Journalisten gerichtet, sondern einfach vor sich hergesagt. Das Gericht sah nun in den Aussagen den Tatbestand der Volksverhetzung und Beleidigung erfüllt. Kiese hab insbesondere mit dem Begriff „Judenpack“ Jü­d*in­nen kollektiv beleidigt.

Bedroht und beleidigt

Der Begriff „Judenpresse“ habe in Deutschland eine lange historische Vergangenheit und werde mit dem Ziel verwendet, Journalisten und die jüdische Bevölkerung zu diffamieren, sagte Richterin Pia Genius. Zur Zeit des Nationalsozialismus seien damit alle Medien bezeichnet worden, die außerhalb der nationalsozialistischen Gesinnung standen. Die Aussage „Verdammte, Feuer und Benzin für euch“ sei zur Aufstachelung von Hass geeignet und „erinnert an die Reichs­pogromnacht“, sagte die Richterin in ihrem Urteil.

Nur wenige Wochen nach der Kundgebung trafen Kiese und Siman bei einer Versammlung von „Die Rechte“ in Braunschweig erneut aufeinander. Kiese rief mehrere Beleidigungen wie „Homowichser“ und „Ihr miesen Leute aus Israel“ in Richtung des filmenden Journalisten. Das Gericht sah es jedoch nicht als erwiesen an, dass Kiese damit konkret Siman gemeint hatte. Die Aussage „Die Presse aus Israel ist auch wieder da“ sei jedoch als Beleidigung zu werten, da Kiese damit bewusst den Begriff der „Judenpresse“ umgangen habe und sich direkt an den Journalisten gewandt hatte.

Den Journalisten David Janzen war Kiese bei einer AfD-Demonstration Anfang 2022 körperlich angegangen und hatte ihn als „Kinderschänder“ und „Schwein“ beschimpft. Vor Gericht schilderte Janzen, wie während der Demonstration mehrfach Janzens private Adresse gerufen und gedroht wurde, ihn zu Hause zu besuchen. Zusätzlich hätten mehrere Personen aus der Gruppe rund um Kiese „Oink, oink“ gerufen – Janzen, der seit Jahren über die extreme Rechte in Braunschweig berichtet, hatte 2020 ein anonymes Paket mit einem Schweinekopf zugeschickt bekommen.

Die Aussagen auf der Demonstration hatte er damals mit einer Bodycam gefilmt und Strafanzeige erstattet. Auch hier sah das Gericht den Tatbestand der Beleidigung als erfüllt an.

Viele Vorstrafen

34 Einträge umfasst Kieses Auszug aus dem Bundeszen­tralregister, darunter mehrfache Körperverletzung und das Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen. Für die Richterin stand Kieses rechte Gesinnung aufgrund seiner Parteifunktionen und seiner Vorstrafen außer Frage. Bereits in den 1990er-Jahren war er Mitglied der mittlerweile verbotenen „Freiheitlichen Deutschen Arbeiterpartei“ und ist derzeit Mitglied im Bundesvorstand der Kleinpartei „Die Rechte“.

Neben den zehn Monaten Haftstrafe zur Bewährung muss Kiese 3.600 Euro an die Opferhilfe Niedersachsen zahlen. Zur Entscheidung, nur eine Bewährungsstrafe zu verhängen, kam das Gericht, da die Taten bereits mehrere Jahre zurückliegen. Die Staatsanwaltschaft hatte eine etwas höhere Strafe gefordert.

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