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Demos gegen rechtsDas Zweitbeste ist die Uneinigkeit

Gastkommentar von Katharina Körting

Auf den Demos ist viel Rührung zu spüren: weil es trotz allem so viel Demokratisches gibt, in unserer gefährdeten Demokratie.

Teilnehmer einer Demonstration gegen Rechtsextremismus vor dem Bundestag am 03.02.2024 in Berlin Foto: bildgehege/imago

D as Drittbeste an den Demos ist, dass auch Konservative mitgehen. Also die, die Linke als „rechts“ diffamieren. Sodass Rezensenten rätseln, ob diese Demos links genug, bürgerlich genug, inklusiv genug sind oder gar eine „Bewegung“ herbeireden – das Volk geht erst mal einfach nur. Auf die Straße. Weil es sich sorgt. Weil es irgendwie das Gefühl hat, die Demokratie sei in Gefahr.

Das Zweitbeste an den Demos ist, dass niemand mit allem einverstanden sein kann, was dort gesagt wird. Menschen kommen zum Protest, die uneins sind, mit sich, mit anderen – um gemeinsam uneins zu sein, um vielfältig, um Demos, also Staatsvolk, zu sein. Dieser Demo-Pluralismus versammelt sich nicht nur gegen den „Ethnopluralismus“, irre Reinrassepläne und Eindeutigkeitszwang, sondern auch für die Uneinigkeit. Vielleicht kommt daher dieser Ruck der Erleichterung: weil das Inzestuöse, das von neurechten „Ariern“ ausgeht, die Ausschließeritis, das Canceln Andersdenkender, das Outsourcen des „Bösen“ auch und gerade unter Linken droht.

Weil man sich erinnert, dass gegen Verunsicherung nicht Gewissheiten einer Vergangenheit helfen, die es nie gab, sondern nur, etwas daraus zu machen. Etwas Demokratisches. Demos zum Beispiel. Und auf ihnen die alte Idee entstaubt, dass auch der andere, solange er demokratisch agiert, ein bisschen recht haben könnte – sogar, wenn er „rechts“ ist.

Deshalb sollte man nicht einverstanden sein mit Slogans wie „Menschenrechte statt rechte Menschen“ oder damit, „gegen rechts“ zu demonstrieren, doch wer das nicht ist, kann ja ein eigenes Plakat mitbringen und sich damit erfolgreich unbeliebt machen. Jede kann zum allgemeinen Unbehagen beitragen, das wir so dringend nötig haben.

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Denn das Beste an den Demos ist das nicht Genehme. Das nicht Stimmige. Das, was eine Demokratie ausmacht: (Selbst-)Ungewissheit und Nachdenklichkeit. Vielleicht ist deshalb auch so viel Rührung zu spüren: weil es trotz allem so viel Demokratisches gibt, in unserer gefährdeten Demokratie. So viel Demos!

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8 Kommentare

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  • Bravo! Man muss auch mal ertragen, dass man nur begrenzt einig ist. Wenn die Priorität stimmt.

  • Wohlfeil. Wo bleibt der Demos, wenn man mitten in Berlin, am Rosenthaler Platz zusammengeschlagen und getreten werden kann? Wo bleibt er bei der Forderung von Konsequenzen?

  • Frau Körting, ich befürchte, Sie machen es sich zu einfach. In der vorigen Woche im Kölner Stadt-Anzeiger in einer Ausgabe: Mehrere Artikel über die Demonstrationen - ein Artikel über einen "Bürgerdialog", bei dem alle Vorschläge der Verwaltung und des Bürgermeisters zur Errichtung von Flüchtlingsunterkünften entschieden abgelehnt wurden.



    Gegen etwas kann man leicht sein, interessant wird es beim 'Pro'.

  • DemokratInnen aller Art vereint Euch!



    Ja!



    Die Demos gegen Rechts sind ein gutes Zeichen für unsere Demokratie.



    Ich habe bereits in diesem Zusammenhang meinen Standpunkt bzgl." Rechts" in der kommune mitgeteilt und pflege dies auch auf Demos zu tun.



    Damit grenze ich mich gegen rechtes Gedankengut ab.



    Dass die AfD davon durchdrungen ist, ist unzweifelhaft.



    Die CDU hat, "Dank" Ihres Vorsitzenden, der "Schwesterpartei" und deren Anhängsel, leider wieder die Richtung gewechselt.



    Unter Merkel hatte die CDU spürbar sozialdemokratische Anklänge.



    Ich demonstriere auch mit CDU WählerInnen und höre mir auch die Reden der CDU PolitikerInnen auf Demos gegen Rechts an.



    Wer allerdings, unabhängig von der Parteizugehörigkeit, oder der selbst verorteten Gruppenzugehörigkeit



    ( auch:"links") der Meinung ist, sich rassistisch äußern zu müssen, Den und Die, lehne ich ab.

  • Kurz und gut!



    Und (endlich mal) ohne ein irgendwo verstecktes "aber eigentlich ...".

  • Grundsätzlich ist man sich - so habe ich das wahrgenommen - auf den Demos wohl am ehesten in der Ablehnung der AfD einig. Die Veranstaltungen sind daher nur verkürzend als "gegen Rechts" zu deuten. Ich stimme Ihnen, Frau Körting, allerdings voll zu, wenn Sie das "nicht Genehme", das "nicht Stimmige" als wichtigstes Gut beschreiben.

    Ein paar Unverbesserliche Agitatoren mal ausklammernd: Wenn wir von einer "bunten" Gesellschaft sprechen, müssen wir die Brauntöne m.E. eben auch zulassen. Sofern sie sich verlässlich im demokratischen Spektrum befinden! Denn - und das darf man nicht vergessen! - diejenigen, die wir leicht als Gegner sehen, denen wir "Nazis raus!" zurufen, sind Väter, Geschwister, Freunde, Kollegen. Vielleicht sogar unsere eigenen. Auch sie sind aktuell hoch emotionalisiert. Und in nicht wenigen Fällen sicher auch sozial einigermaßen isoliert. Es kann daher keine Lösung sein, sich ihnen entgegen zu stellen. Das ist einfach, aber wenig überzeugend.

    Wir sollten uns vielmehr fragen, warum die Leute dort stehen, wo sie stehen. Wie sie dorthin kamen. Und die wichtige Frage diskutieren, was die AfD in dieser Hinsicht offenbar besser macht als alle anderen Vereinigungen.

    Und unsere Leute zurück holen.

  • Mir geht es so, dass ich mich sogar mehr freue, wenn Menschen mitdemonstrieren, von denen man das zuvor nicht erwartete. Bei den anderen aus der 'eigenen Blase' erwartet man dies sowieso.



    Deshalb verstehe ich nicht, wenn man dies kritisiert, es geht nunmal um Demokratie und gegen Demokratiefeinde. Es ist nun mal so, dass alle wie auch immer geartete Linke und Grüne, niemals die Mehrheit in diesem Land ausmachen.

  • Das Outsourcen droht nicht erst heuer bei der Linken, es ist eine altbekannte Erscheinung, die spätestens 1918ff flott Fahrt aufnahm und sich zuletzt in der Linkspartei manifestierte. Die war nie eine einige Partei, sondern bildete lediglich das Dach für diverse Gruppierungen, die sich tw. spinnefeind waren.