Bürgerbeteiligung in Berlin: Per Mausklick den Verkehr ändern
Unsere Autorin hat bei der Berliner Senatsverwaltung eine Ampel und einen Zebrastreifen beantragt. Was folgte, war eine Achterbahnfahrt der Gefühle.
W er kennt sie nicht, die kindliche Begeisterung, per Knopfdruck die Welt, etwa in Form eines Fahrstuhls oder Busses, lenken zu können? Bei Fußgänger:innen ist das ähnlich. Leute, die an einer mehrspurigen Straße stehen und schier unendlichen Blechschlangen zusehen, sehnen sich oft jedoch vergeblich nach einem Knopf – einer Ampel. Besonders, wenn man mit Rollstuhl, Rollator oder wie ich mit Kinderwagen unterwegs ist.
Nachdem ich vor fünf Jahren nach Plänterwald gezogen war, gehörte dieses Ohnmachtsgefühl fest zu meinem Alltag dazu. Bis mich eine Freundin auf die Idee brachte, die zuständige Senatsverwaltung anzuschreiben. Sogleich beantragte ich per Mail eine Ampel für den Weg zum Spielplatz sowie einen Zebrastreifen für den künftigen Schulweg meines Kindes. Das Drücken der Maustaste fühlte sich wie pures Empowerment an.
Darauf folgte erst mal nichts. Drei Monate lang. Dann, im August 2019 eine Antwort: Antrag zwei abgelehnt. Zwar war sich der Sachbearbeiter der Notwendigkeit eines Zebrastreifens bewusst, allerdings verstoße das hier gegen die Regel: „Danach dürfen Fußgängerüberwege nur an Stellen eingerichtet werden, wo nur ein Fahrstreifen je Fahrtrichtung überquert werden muss.“ Hier aber gehen zwei Fahrstreifen in eine Richtung. Und so stehe ich jeden Morgen an dieser Stelle und brülle meinem Kind das Kommando zu, sobald es heißt, über die Straße zu rennen.
In puncto Ampel teilte mir der Sachbearbeiter mit, dass „Verkehrsbeobachtungen“ ergeben hätten, dass der Verkehr an dieser Stelle „sicher und geordnet“ verlaufe. Die Anzahl „der querungswilligen Fußgängerinnen und Fußgänger“ sei „eher gering“, so wie auch die Zahl der Unfälle. Vor lauter Frust hätte ich die Mail beinahe zugemacht, da heißt es plötzlich: „Allerdings wurde bei gründlichen Prüfungen ermittelt, dass eine sichere Querungshilfe […] aufgrund des konstant hohen Verkehrsaufkommen zu empfehlen ist.“ Mehr noch: Die Ampel war schon angeordnet! Nur etwas Geduld sei gefragt, bis zu einem Jahr könne es dauern.
Kaum war die Ampel da, war sie auch schon wieder weg
Ich hatte Geduld. Erst nach 15 Monaten, Ende 2020 hakte ich nach. Die Antwort habe ich zwar nicht ganz verstanden, aber ich entnahm ihr, dass es nun nicht mehr lange dauern würde.
2021 war die Ampel tatsächlich da. Zwar handelte es sich nur um ein Provisorium, aber es gab einen Knopf! Stolz über diese bahnbrechende Veränderung in meinem Alltag posaunte ich in ein soziales Netzwerk hinaus: „Bürger:innenbeteiligung is possible!“ Ich kassierte Hunderte Likes und die Senatsverkehrsverwaltung sicher einige neue Anträge.
Zu meiner großen Pein wurde die Ampel jedoch nach einem Baumschnitt wieder abgebaut. Autos und Lkws bretterten wie eh und je an uns vorbei.
2021 ging vorüber, 2022 auch, und ich gab die Hoffnung auf. Ich schwor mir, nie mehr der kindlichen Idee zu verfallen, per Knopfdruck etwas verändern zu können.
Aber wie in einem guten Film folgte nach dem ärgsten Tiefpunkt das Happy End: Seit diesem Jahr bringe ich die Autos an dieser Stelle der Stadt nun zum Stehen. Vier Jahre später interessiert mein Kind der Spielplatz zwar kaum noch, aber egal. Ich weiß jetzt, dass es für Berliner Fußgänger:innen einen Knopf gibt, mit dem sie ihre Welt verändern können: den ihrer Computermaus.
Hast Du auch einen Wunsch an die Senatsverwaltung für Mobilität, Verkehr, Klimaschutz und Umwelt? Dann schreib eine Mail an: post@senmuvk.berlin.de und verkehrslenkung@senmvku.berlin.de
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