ausgehen und rumstehen: Sex & Shrimps: Vom Modeltreff im 103 und einer Elvissong-Rezitation im Roten Salon
Liegt es am Frühling? Am Bier? Oder an mir? Wenn ich eine Überschrift, einen gemeinsamen Nenner für das letzte lost weekend suchen sollte, es wäre Sex.
Nun gut, als ob es beim Ausgehen je um etwas anderes ginge. Aber an diesem Wochenende sprang es mich, um im Jargon zu bleiben, von vorne UND von hinten an. Erst der Samstag mit dem Modeltreff im 103 – diesem Laden an der Falckensteinstraße, in dem ich neulich so einen vortrefflichen Freitagabend mit den Three Normal Beatles, hundert Litern Wodka und meiner Lieblingszahnärztin verlebt hatte. (Eine Zahnärztin im Bekanntenkreis ersetzt die Munddusche!).
An diesem Samstag gähnte der Club jedoch Langeweile aus, denn „DJ Naughty“ war nicht gekommen. Ich kannte den zwar nicht, aber ich finde, es macht schon mal einen schlechten Eindruck, wenn gleich an der Kasse steht, dass etwas ausfällt.
„Dafür an den leeren Loungewänden Lichtinstallationen von Eve Hurford nach Texten von Theo Altenberg.“ Es ging um freien Sex, und weil ich so ein Streber bin, habe ich gleich recherchiert, dass Theo Altenberg in den 70ern Mitglied in einer radikalen Freier-Sex-und-freies-Eigentum-und-gemeinsame-Kindererziehungs-Kommune in Wien war. Da fiel mir sofort mein Kumpel ein, der in einer solchen Kommune aufgewachsen ist, jedenfalls so ähnlich, in der es keine Geburtstagsgeschenke gab, weil man sich beim Schenken nicht an alberne Konventionen halten sollte. Und was ist aus ihm geworden? Ein erzkonservativer Rockabilly, der sich eher selbst die Tolle abreißt, als einem nicht die Tür aufzuhalten. Wenn Theo Altenberg DAS geahnt hätte!
Zurück zu den Models: Die saßen in den Lichtinstallationen herum, und waren wahrscheinlich ganz normale kleine Mädchen mit Bauch frei. Aber irgendwie trugen sie merkwürdige Modelbeutel, „Clutches“ nennt man die Täschchen, die werden unter den Oberarm geklemmt und es passt ein ganzes Zickenutensilo rein: Lipgloss, Gummi, Haargummi, klitzekleines silbernes Handy mit Fotofunktion und Minitampon. Uiuiui, bin ich jetzt etwa die Zicke?
Die Models (oder, okay, Möchtegernmodels) zuckten niedlich im Takt der DJs, die netterweise gekommen waren, und zwar saßen mir gegenüber auf den Loungesofas vier Mädels: blond mit Pferdeschwanz, braunhaarig mit Pferdeschwanz, blond mit kürzerem Pferdeschwanz und blond mit glattem Haar. Pferdeschwanz eins und drei zuckten im Halfbeat (auf die eins und die drei natürlich), die anderen beiden auf jeden Schlag – DAS war mal eine Installation! Aber ich glaube, das war aus Versehen, es ging auch schnell vorüber.
Zurück zum Sex: Drumherum saßen lauter sehnsüchtige Männer, die sich überlegten, was sie zu den Möchtegernmodelmädels sagen sollten, um das Eis zu brechen, aber so lange ich da war blieb es beim Mutantrinken. Eine traurige Atmosphäre voller unterdrückter Leidenschaften – die einen wissen noch gar nicht, wohin mit ihren aufkeimenden Gefühlen (und stecken sie erst mal ins Make-up), die anderen haben die besten Zeiten schon hinter sich und hoffen verzweifelt auf Zufallstreffer. Das war der Samstag. Dazu kam dann noch ein längerer Zwischenstopp in meiner Fußballkneipe, in der ich mich mit einem Mönchengladbachfan verquatschte, der mein Enkel sein könnte, aber das führt jetzt zu weit.
Sonntag war ich nachmittags bei Alba, und in der Frankfurtkurve, in die ich Einblick hatte, saß ein Pärchen, das DURCHGEHEND knutschte, sogar in den Auszeiten – schöne Basketballfans! Abends machten dann „Petting“ ihre Record-Release-Party im Roten Salon, und das war ein wunderbarer Abschluss des WEs: Petting sind und waren ohnehin reizend. Aber ebenfalls reizend war ein junges Ding namens „Preslisa“, das Elvis-Film-Inhalte nacherzählte, zum Beispiel „Girls, Girls, Girls“, in dem Elvis einen Shrimpkutterkapitän spielt, der zwischen Frauenaufreißen und Wasserskifahren tatsächlich ab und an zum Shrimpsfischen kommt, aber jede freie Ecke nutzt, um einen Song reinzuschieben. Und dann sang Preslisa Elvissongs und spielte dazu ihre Ukulele – zum Beispiel einen Elvissong, in dem ein Shrimp seinen Eltern (Mama und Papa Shrimp) erzählt, was er in der „Shrimpnewspaper“ gelesen hat.
Hübsch! Okay, nicht mehr wirklich sexy, aber hübsch. War ja auch genug Sex gewesen. Ehrlich.
JENNI ZYLKA
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