Klimaforscher Grimalda reist ohne Flug: Kalte Hände und herzliche Menschen
Wer Flugscham ernst nimmt, muss mit Konsequenzen rechnen. Forscher Gianluca Grimalda verlor deshalb seinen Job. Hier erzählt er, wie er nun reist.
![Grimaldo mit Hotelgästen, die in die Kamera grüßen Grimaldo mit Hotelgästen, die in die Kamera grüßen](https://taz.de/picture/6716604/14/20231210-163000-With-fellow-hostel-guests-in-Kashgar-cattle-and-sheep-market-1--1.jpeg)
D er Wissenschaftler Gianluca Grimalda, 51, will nicht mehr fliegen – fürs Klima. Weil er deshalb nicht rechtzeitig von einer Forschungsreise in Papua Neuguinea zurückkam, feuerte ihn das Kieler Institut für Weltwirtschaft (IfW). Die taz begleitet ihn auf seiner Reise per Schiff, Bus und Bahn zurück.
Diese Woche hätte mich ein Problem fast meine Hände gekostet. Auf dem Bergpass, der China und Tadschikistan verbindet, suchte ich über eine Stunde bei minus 14 Grad und eisigem Wind nach einer Mitfahrgelegenheit. Ich hatte mir kein teures Taxi an die Grenze bestellen wollen. Aber die vorbeibrausenden Lkw-Fahrer zeigten auf meine riesigen Koffer und winkten ab.
Mit der Zeit wurden meine Hände kälter und kälter. Irgendwann hielt ich es nicht mehr aus. Ich klopfte ans Wachhaus der tadschikischen Grenzsoldaten. Bei ihnen konnte ich mich aufwärmen. Dann hielten sie zwei Lkws an. Einen für mich und einen für mein Gepäck. Auf ihren Befehl nahmen sie mich mit.
Sahir, der Lkw-Fahrer, war erst genervt, dass ich kein Russisch spreche. Aber als er herausfand, dass ich Italiener war, begann er L'Italiano von dem im August verstorbenen Sänger Toto Cutugno anzustimmen. Italienischer Pop war schon zu Sowjetzeiten extrem beliebt. Wir sangen gemeinsam. Er gab mir Tee und Kekse. Im tadschikischen Dorf Margob habe ich bei Shirali übernachtet. Ich schlief in seinem Haus, einem einstöckigen Bau mit Ziegeln unterschiedlicher Größe, ausgelegt mit Kissen und Teppichen. Seinen Ofen betreibt Shirali mit Schafkot.
Der Klimawandel verändert auch sein Leben. Er erzählte mir, dass es seltener regnet. Viele Seen und Flüsse führen so wenig Wasser, dass Wasserkraftwerke nicht mehr gut funktionieren. Shirali hat nur zwei Stunden Strom am Tag. Trotzdem haben er und seine Mutter mich fürstlich bekocht: Gemüsesuppe und vier Brötchen, gefüllt mit Kartoffeln, Karotten und Mais.
In einer Woche ist Weihnachten. Gestern habe ich online für den Abend des 23. Dezember ein Ticket für die Fähre von Griechenland nach Italien gekauft. Über 5.000 Kilometer muss ich noch durch den Iran und die Türkei reisen. Ob ich es schaffe, ist ungewiss. Aber all den Menschen, die ich auf dieser schwierigen Reise kennengelernt habe, die mich immer wieder unterstützt und ermutigt haben – ihnen bin ich schon jetzt dankbar.
Protokoll: Mitsuo Iwamoto
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