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Deutschlands Klimabilanz 2023Nur ein bisschen Klimaschutz

Susanne Schwarz
Kommentar von Susanne Schwarz

Die Treibhausgas-Emissionen sind gesunken. Das liegt an der schwächelnden Wirtschaft – die Industrie muss sich aber grundsätzlich wandeln.

Das Kraftwerk Jaenschwalde LEAG an einem trüben Herbsttag im November 2023 Foto: Andreas Franke/imago

E s klingt wie ein großer Erfolg: Um 10 Prozent sind die klimaschädlichen Treibhausgasemissionen 2023 hierzulande gegenüber dem Vorjahr gesunken – das wäre sogar noch etwas mehr als im Coronajahr 2020. Damals blieben alle zu Hause, statt mit den viel zu vielen deutschen Autos herumzufahren oder mit dem Flugzeug durch die Welt zu jetten. Die Produktion der Industrie brach zusammen. Um mehr als 8 Prozent gingen die Emissionen damals zurück. Aber eben mit dem Wermutstropfen: Es lag gar nicht am Klimaschutz, sondern an der Pandemie. Gleich 2021 stiegen die Emis­sio­nen denn auch wieder.

Leider ist das auch diesmal so ähnlich. Nicht Corona ist schuld, aber eben die allgemein schlechte Wirtschaftslage seit der Energiekrise im vergangenen Jahr. Daraus kann man schließen, dass Deutschland eine Degrowth-Strategie braucht, die eine schrumpfende Wirtschaft mit geringem Energieverbrauch lebenswert organisiert.

Nur ist das natürlich nicht das Ziel der Bundesregierung. Die Wirtschaft soll wieder wachsen. Das heißt: Die vergleichsweise guten Emissionszahlen des vergangenen Jahres dürfen nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Industrie sich noch massiv wandeln muss. Außerdem steht die Blockade der FDP bei allem, was die Begeisterung für das klimaschädliche Autofahren auch nur im Geringsten bremsen könnte, dem Klimaschutz im Weg.

Das schmälert nicht die Erfolge der Energiewende. Immerhin 15 Prozent der Emissionseinsparung sind auf erneuerbare Energien und Energie­effizienz zurückzuführen. Trotz Atomausstieg gab es deutlich weniger Kohlestrom als im Vorjahr. Die Warnung der Atomfans, das Abschalten der letzten deutschen AKWs sei ein Klimadebakel, hat sich somit nicht bewahrheitet. Stattdessen ist der Anteil der erneuerbaren Energie am Strommix gestiegen. Teilweise wurde dieser Strom aus Nachbarländern importiert. Aber warum auch nicht? Es zeigt, dass klimaschädliche Kohle für den Planeten keine gute Idee ist, aber auch nicht für die Wirtschaft.

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Susanne Schwarz
Leiterin wirtschaft+umwelt
Jahrgang 1991, leitet das Ressort Wirtschaft + Umwelt und schreibt dort vor allem über die Klimakrise. Hat ansonsten das Online-Magazin klimareporter° mitgegründet.
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6 Kommentare

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  • Ganze 15% von 10% also 1,5%

    Wow dann schaffen wir die Klimaziele also schon in +- 66 Jahren wenn wir das Tempo beibehalten.

    YEAH!

    Das Hauptroblem ist doch das die Co2 Reduktion mit jedem zusätzlichen % in Richtung 0% immer aufwendiger und teurer wird, bis sich bei dem verbleibenden Rest der sich nicht vermeiden lässt dann CCS lohnt.

    Das Fortschritte werden also sogar noch deutlich langsamer werden, wenn die Anstrengungen nicht massiv erhöht werden.

    • @sociajizzm:

      "Das Hauptroblem ist doch das die Co2 Reduktion mit jedem zusätzlichen % in Richtung 0% immer aufwendiger und teurer wird"

      Das stimmt nicht. Diminishing returns kann man hier nicht anwenden, da CO2 (was soll "Kobalt-2" sein?) bei einer Vielzahl Prozesse mit jeweils unterschiedlichem Reduktionspotential anfällt.

      Die Frage ist also: mit welchen Prozessen fängt man an? Und: wie nah kommt man an das Reduktionsziel heran durch Kürzungen bei den Prozessen mit großem Einsparpotential?

      Die diminishing returns kommen nämlich erst dann - und zwar ziemlich schlagartig - zum Tragen, wenn man bei dem Kleinkram einspart. Aber bis das die einzige verbleibende Option ist, kann man noch an vielen anderen Punkten ansetzen.

      Ketzerisch: man muss sich nur mal anhören, was der Bauernverband zu sagen hat zum Thema Regionalisierung der Agrarproduktion. Im Ruhrgebiet sehe ich zB nicht selten Agrarprodukte aus Ostdeutschland im Verkauf, grad mal 60 km von der niedersächsischen Grenze entfernt.



      Nur auf dem Land klappt das schon sehr gut. Wenn ich in Ostwestfalen oder m Niederrhein bin, fginde ich kaum mal etwas, das in Deutschland angebaut werden kann, und das aus mehr als 20km Entfernung herangekarrt wurde. Selbst Supermärkte im ländlichen Raum setzen zunehmend auf Verträge mit landwirtschaftlichen Betrieben; alle profitieren, denn Hofläden sind zwar pittoresk, aber alles andere als umweltfreundlich (weil viel mehr Fahrtstrecke nötig ist, um dieselbe Menge Nahrung zur selben Menge Verbraucher*innen zu schaffen, wenn man Kleinmengen draußen in der Pampa verkauft, statt die Produkte en gros zum Einzelhandel am Stadtrand zu fahren und dort endzuverkaufen).

      Aber mit den heutigen Methoden der Logistik ist das auch für urbane Räume umsetzbar.

  • Die Diskurse über „Degrowth für D“ haben nur einen akademischen Wert und vertreiben im schlimmsten Fall auch noch die letzten Wähler.



    Eine Verlagerung von Industrie in das Ausland ist letztendlich auch noch negativ für den Klimaschutz.

    • @alterego:

      Die Diskurse über "Green growth" sind bloß leere politische Worthülsen.

      Der Fokus auf das BIP ist das Problem.

      Wenn Sie selbst oder ein Freund ihren Rasenmäher repariert reduzieren Sie das BIP = Degrowth.

      Haben Sie dadurch weniger? Nein Sie haben mehr Geld weil Sie keinen neuen kaufen müssen.

      Wenn mehr Menschen öffentliche Verkehrsmittel nutzen und kein eigenes Auto kaufen ist das auch negativ für das BIP = Degrowth.

      Wenn Handyhersteller verpflichtet sind mind. 5 Jahre Updates zu liefern und weniger Handies gekauft werden = Degrowth.

      Für den Staat ist das fatal weil Steuereinnahmen sinken können, daher der Fokus auf "Green Growth".

  • degrowth ist das Zauberwort

    • @elma:

      Ja - insofern als dass Zauberei Fake und Illusion ist.

      "Degrowth" ist ein Wort, das in den linksliberal-ökobürgerlichen Kreisen extrem beliebt ist, die Bardis "Limits to Growth Revisited" nicht wahrhaben wollen.

      "Wir" (also die Menschheit) wird "Degrowth" bekommen, ob gewollt oder nicht. Und es ist nicht ansatzweise kontrollier- oder steuerbar, sondern birgt die Gefahr anarchischer Austerität, bei der die Reichen unterm Strich immer weniger arm werden als die Armen.

      Wer von "Degrowth" redet, muss nicht über "Umverteilung" reden, oder was das Existenzminimum ist und wer "den Gürtel enger schnallen" muss um dieses Minimum ALLEN Menschen zu garantieren, und wieviel Zwang dazu nötig ist, vom ausbeutenden zum ausgebeuteten Teil der Menschheit umzuverteilen.



      That's the charm.

      "Weniger Wachstum, und allen gehts gut" hat sich 2009 in Griechenland als katastrophal falscher Ansatz und Ausdruck von realitätsverweigernder Wohlstandsverwahrlosung erwiesen.

      Die Frage ist vielmehr: welches Ressourcenmanagement ermöglicht menschenwürdige Existenz der größtmöglichen Zahl Menschen unter dem ZWANG einer Polykrise, bei der die Ressourcenverknappung nicht gewollt und gesteuert ist, sondern ein physikalisches Hartlimit und unkoordinierbar?

      "Degrowth" ist ein unabwendbarer Fluch, kein freiwilliger Segen. Wir müssen über die Marktwirtschaft hinausdenken!

      Die Klimaökonomin und Ökomarxianerin[*] Julia Steinberger setzt sich schon seit Jahren mit der guten Absicht und den praktischen Problemen des Degrowth-Konzepts auseinander, und man sollte das unbedingt lesen; ich habe noch nichts Besseres zum Thema gefunden.

      [*] Nicht "-marxistin"; mit ML-Histomat hat sie nichts am Hut, sondern sie analysiert das Ökonomie-Ökologie-Problem auf die Weise, wie Marx seinerzeit das Phänomen der Kapitalakkumulation analysiert hat. Also im Sinne des Hegelschen Materialismus, ohne Eso-Naturromantik, sondern nur anhand der Ressourcen- und Geldflüsse, der klima- und kulturgeographischen Gegebenheiten usw.