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Schließung der Haasenburg-KinderheimeBreite Kritik an Haasenburg-Urteil

Große Landstagsmehrheit in Brandenburg will Entschädigung der Haasenburg-Opfer. Die Heim-Schließung 2013 sei zum Schutz des Kindeswohls nötig gewesen.

Inzwischen geschlossenes Kinder- und Jugendheim in Neuendorf, Brandenburg Foto: imago

Berlin taz | Das jüngste Urteil des Verwaltungsgerichts Cottbus zur Schließung der Haasenburg-Heime wird am Freitag im Brandenburgischen Landtag diskutiert. CDU, SPD und Grüne bringen gemeinsam einen Antrag ein, indem sie festhalten, dass trotz dieses Urteils die Schließung der Heime im Jahr 2013 „zum Schutz des Wohls der Kinder und Jugendlichen“ geboten war. Sie erkennen das Leid der Betroffenen ausdrücklich an und fordern deren Entschädigung. Dies ist die Antwort auf einen Antrag der Links-Fraktion, der Solidarität mit den Opfern einfordert.

Das Verwaltungsgericht Cottbus hatte den Fall Ende November nach zehn Jahren Pause entschieden. Das Gericht erklärte, der 2013 durch die brandenburgische Bildungsministerin Martina Münch (SPD) erfolgte Widerruf der Betriebserlaubnis sei „rechtswidrig“ gewesen. Somit könnte der Betreiber sogar Schadenersatz einklagen. Das Gericht vollzog damit eine 180-Grad-Wende zu früheren Entscheidungen in einem Eilverfahren und verbot zugleich dem Ministerium für Bildung, Jugend und Sport (MBJS), in Berufung zu gehen.

Dennoch ist die Sache nicht rechtskräftig entschieden. Denn das MBJS kann gegen ebenjenes Berufungsverbot vor dem Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg klagen. Laut einer Sprecherin wird das Ministerium darüber erst dann entscheiden, wenn die schriftliche Urteilsbegründung aus Cottbus vorliegt, was noch nicht der Fall ist.

Der Antrag der Linksfraktion zielte genau darauf ab und fordert die Landesregierung dazu auf, gegen das Urteil vom 23. November Rechtsmittel einzulegen. Denn dieser Richterspruch sei ein „herber Rückschlag für die Betroffenen“, insbesondere weil individuelle Entschädigungsanträge der Opfer mit Verweis auf diesen Prozess auf Eis gelegt wurden. „Wir wollen ein Signal aus dem Landtag setzen, dass wir komplett an der Seite der ehemaligen Jugendlichen stehen“, sagte Linke-Abgeordnete Isabell Vandre.

Aktionsbündnis „fassungslos“

In Brandenburg regiert eine „Kenia-Koalition“ aus SPD, CDU und Grünen. Gefragt, wie sie zu dem Linken-Antrag stehen, kündigten die drei Fraktionen promt ihren eigenen Antrag an. „Dieses Urteil empfinden die Betroffenen, die viel Leid erfahren haben, als Schlag ins Gesicht“, sagt Grünen-Fraktionschefin Petra Budke. Das Urteil habe sie, „gelinde gesagt, überrascht“. Auch CDU-Jugendpolitikerin Kristy Augustin sprach von einem „herben Rückschlag“ für die ehemals dort untergebrachten Kinder und Jugendlichen.

Der Kenia-Antrag, der seit Dientag nun vorliegt, stärkt Brandenburgs Jugendminister Steffen Freiberg (SPD) den Rücken, gegen das Urteil alle verfügbaren Rechtsmittel auszuschöpfen. Wegen der grundsätzlichen Bedeutung der aufgeworfenen Rechtsfragen „für ganz Deutschland“ und der Wirkung für die betroffenen Kinder spreche „Vieles dafür“. Ferner bestärkt der Landtag in dem Antrag erneut ausdrücklich sein Bedauern für „das Leid der ehemaligen Kinder und Jugendlichen, die in den Einrichtungen der Haasenburg GmbH untergebracht waren“ und zählt auf, was Brandenburg seither unternahm, um selbiges zu verhindern.

Der Landtag fordert sodann seine Regierung auf, sich in der Bundes-Jugendministerkonferenz für die Prüfung eines „länderübergreifenden Entschädigungsfonds“ stark zu machen, für „ehemalige Kinder und Jugendliche, denen seit 1990 institutionelle Gewalt in Einrichtungen der Erziehungshilfen widerfahren ist“. Brandenburgs Regierung soll auch prüfen, ob so ein Fonds konkret auf Kinder und Jugendliche zugeschnitten werden kann, die „in einer Einrichtung eines bestimmten Trägers“ – sprich in der Haasenburg – waren.

Linke-Politikerin Vandre begrüßt den Antrag der Kenia-Fraktion. Ihre Fraktion werde sich dem wahrscheinlich anschließen. Sie bedauerte nur, dass ihrem Antrag nicht in dem Punkt gefolgt wurde, Brandenburg möge als für den Skandal verantwortliches Bundesland einen eigenen Entschädigungsfonds für Haasenburg-Opfer einrichten. „Dieser wäre realistischer als die Forderung nach einem bundesweiten Fonds“, sagte sie.

„Fassungslos zur Kenntnis“ genommen haben das Urteil auch das „Aktionsbündnis gegen geschlossene Unterbringung“ und die „Bundesarbeitsgemeinschaft Kindheit und Jugend“ der Linken. Sie haben eine Stellungnahme verfasst, die binnen 24 Stunden von 14 Organisationen und über 100 Fachleuten unterzeichnet wurde, darunter die Gedenkstätte zum DDR-Jugendwerkhof Torgau und ehemalige Haasenburg-Kinder.

Die Begründung des Gerichts, dass das Wohl der Kinder damals nicht gefährdet gewesen sei, „weisen wir in aller Deutlichkeit vor dem Hintergrund der Geschehnisse zurück“, heißt es in der Stellungnahme, die auch online unterzeichnet werden kann. Die Autoren drängen ebenfalls darauf, das Verfahren in die nächste Instanz zu bringen und zu revidieren sowie die Opfer der institutionellen Gewalt in diesen Heimen zu entschädigen.

Anmerkung der Redaktion: Die Artikel wurde nach Erscheinen im ersten Absatz sowie in den Absätzen sechs bis neun um die Inhalte des Antrags der Kenia-Koalition, der bei Erscheinen des Artikel noch nicht vorlag, aktualisiert.

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3 Kommentare

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  • Es gibt eben auch eine Sozialwirtschaft, ein System, wo Gewinne erzielt werden, in dem solche Betrieber, 'schwierige' Jugendliche aufnehmen und dann irgendwie bearbeiten. Wenn's schief geht, dann gewinnt am Ende die Firma, die diese Heime betrieb. Auf der Strecke bleiben die Kinder und Jugendlichen. Wenn ein Betreiber das auch schlecht macht, egal, eigentlich soll das Ganze wohl noch weiterlaufen. Für die Zukunft wird schwierig werden. Die ASDs, also die Jugendämter müssen bei externen Unterbringungen dann stärker agieren, schnell auch Kinder und Jugendliche rausholen, woanders unterbringen. Das ist zumindest für Hamburg dann ein frommer Wunsch, weil in den Jugendämtern viel Wechsel stattfindet, viele FFKs wechseln, bleiben nicht, da geraten Kinder und Jgeundliche aus dem Blickwinkel und bei solchen Betreibern geht es dann richtig daneben.

  • Das ist unfassbar. Was ist an diesem Verwaltungsgericht los? Wer die Zustände in der Haasenburg als "nicht kindeswohlgefährdend" einstuft, kann nur entweder selbst verroht oder aber befangen sein. Ersteres ist sicher keine juristische Kategorie, wohl aber Letzteres. - Es gilt wie immer: Bitte dranbleiben, taz!

  • Das Urteil der Richter mag Gesetzestreu sein. Aber es ist ein Schlag ins Gesicht der Opfer.



    Sie werden erneut zu Opfern weil man ihnen sagt: Ihr wurdet zu Recht so behandelt.



    Die Opfer wollen kein Geld als Entschädigung. Sie wollen nur anerkannt haben, das sie um ihre Jugend betrogen wurden. Etliche haben Zeit ihres Lebens darunter zu leiden.



    Und ich weiss, wovon ich rede, ohne aufgrund schlechter Erfahrungen näher darauf eingehen zu wollen.