Feine Sahne Fischfilet Berlin-Konzert: Glänzende Ekstase trotz Weltlage
Die Meck-Pommband Feine Sahne Fischfilet bringt zum Tourauftakt die Menschen im Berliner „Festsaal Kreuzberg“ in Rage. Zum ersten Mal seit 10 Jahren.
Es dauert genau einen Song, bis im Gesicht von Monchi alles glänzt. Es ist der Schweiß vom ausdauernden Springen, Singen und Gröhlen auf der Bühne. Es ist das Bier der offenen Flaschen, die durch den Raum geworfen werden. Und es ist die Rührung, die man in seinen Augen sieht.
Obwohl Feine Sahne Fischfilet seit bald 20 Jahren auf den Bühnen Deutschlands unterwegs ist, sieht der 36-jährige Sänger Monchi am Montagabend im Berliner Festsaal Kreuzberg so glücklich aus, als könne er nicht fassen, was gerade passiert.
Es ist noch nicht so lange her, dass die Band eine längere Schaffenspause beendet hat. Fünf Jahre liegen zwischen dem fünften und sechsten Studioalbum „Alles glänzt“, das im Mai erschienen ist. In der Zwischenzeit lag eine Pandemie, Monchis Buch „Niemals satt“ und der Weggang zweier Bandmitglieder.
Anonyme Vorwürfe
Als es endlich weitergehen sollte, standen anonyme Missbrauchsvorwürfe gegen Monchi im Raum. Konkret wurden diese nie. Bis jetzt ist nicht bekannt, um welche Vorwürfe es genau geht und von wem sie ausgehen. Doch dass die Band sich intensiv und kritisch damit beschäftigt hat, ist in Interviews und Podcasts zu hören.
FSF nächste Konzerte: 7.12. Hannover „Swiss Life Hall“, 8.12. Erfurt „Messehalle“, 9.12. Bremen „Pier 2“, 12.12. Köln „Palladium“, 14.12. Offenbach „Stadthalle“, 17.12. Bielefeld „Lokschuppen“, 18.12. Leipzig „Haus Auensee“, 19.12. München „Zenith“, 21.12. Rostock „Stadthalle“
Jetzt ist die mecklenburgische Poppunkband wieder unterwegs und gastiert vor gut 1.000 Menschen zum Tourauftakt in Berlin, wobei der Festsaal Kreuzberg eigentlich zu klein ist für FSF. Im Sommer kamen 17.000 Leute zu ihnen in die Wuhlheide. Doch für die Feier ihres Albums „Alles glänzt – Alles Live“ sind sie nochmal an den Ort gekommen, wo sie das letzte Mal vor zehn Jahren gespielt haben.
„Wir sind zurück in unserer Stadt“ eröffnet dann auch das Konzert. Schon nach wenigen Takten ist Monchi mitten in der Menge. Während die Gitarre ohne Pause zu „Kiddies im Block“ ansetzt, ruft Jan Gorkow, wie Monchi bürgerlich heißt, „und jetzt reißen wir den Club ab, oder was?“
Die Songtexte sitzen
Fast alle Anwesenden tragen Merch. Sie pogen, surfen auf den Händen der anderen und beweisen, wie textsicher sie sind, wenn Monchi ihnen das Mikro entgegenhält. Nicht nur Klassiker, auch neue Songtexte sitzen. Als die Band singt: „Wenn’s morgen vorbei ist“, antwortet die Menge, „Scheiß egal, wir haben gelebt.“
Immer wieder fordert die Band das Publikum zum Circle of Death auf. Dabei wird ein Kreis gebildet und wenn die Musik das Zeichen gibt, prallen in der Mitte Körper aufeinander. Doch das Publikum ist so heiß, sie schaffen es nicht lange genug im Kreis stehenzubleiben und pogen lieber sofort drauflos.
Die Ansage, es heute so richtig eskalieren zu lassen, wird eben ernst genommen. Ekstase, statt sich von der politischen Dauerkrise runterziehen zu lassen, das war das erklärte Ziel des Abends. Ganz ohne Politik geht es bei Feine Sahne Fischfilet nie.
Zivilgesellschaftliches Engagement
Die Antifa-Band ist für ihr zivilgesellschaftliches Engagement im Osten bekannt. Zwischen zwei Songs setzt Monchi zu einem Statement an, er verurteilt den terroristischen Angriff der Hamas auf Israel und die „Regenbogen-Hippies“, die in Deutschland solche Angriffe mit entsprechenden Demos unterstützen.
Auch später, als die Menge „Alerta, Alerta“ ruft, mahnt er: Es sei ja schön, in Kreuzberg antifaschistische Parolen zu grölen, doch man müsse schon dahin gehen, wo es knallt. Das Publikum antwortet mit Applaus.
Um musikalische Raffinesse geht es am Montagabend nicht – geht es bei Feine Sahne Fischfilet eigentlich nie. Stattdessen dominieren simple Refrains, die dazu einladen, über dem Kopf im Takt zu klatschen. Und die Skatrompete, die sich über Schlagzeug, Bass und E-Gitarre legt, feuert einen quasi dazu an.
Kleine musikalische Highlights gibt es an diesem Abend aber doch, etwa, als Max Bobzin mit seiner Trompete bei den Anfangstakten von „Diese eine Liebe“ den Raum ausfüllt oder der noch recht neue Gitarrist Hauke Segert zeigt, was er drauf hat.
Tosenden Applaus gibt es, als Bobzin auf die Empore klettert und in die Arme des Publikums springt. Kurz vor Schluss wird der geschätzt 18-jährige Sanitäter von Monchi auf die Bühne geholt, um mit ihm den Hit „Komplett im Arsch“ zu performen. Auch wenn es durch die Rauchschwaden der gezündeten Bengalos etwas schwerer zu erkennen ist, nach zwei Stunden Konzert glänzt Monchis Gesicht immer noch.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Höfliche Anrede
Siez mich nicht so an
Felix Banaszak über das Linkssein
„Für solche plumpen Spiele fehlt mir die Langeweile“
Resolution gegen Antisemitismus
Nicht komplex genug
Nach Ausschluss von der ILGA World
Ein sicherer Raum weniger
Grundsatzpapier von Christian Lindner
Eine gefährliche Attacke
US-Präsidentschaftswahl
50 Gründe, die USA zu lieben