Offener Brief zur Dekolonisierung: Butter bei die Elefanten

In einem offenen Brief fordern Wis­sen­schaft­le­r*in­nen und Ak­ti­vis­t*in­nen die Bremer Politik auf, die koloniale Geschichte aufzuarbeiten.

Das Bremer Antikolonialdenkmal

Erinnern allein reicht nicht: Bremens Antikolonialdenkmal Foto: Hannes Grobe / Wikimedia Commons (CC BY-SA 2.5 Deed)

HAMBURG taz | In einem offenen Brief, den das Dekoloniale Netzwerk Nordwest und der Wissenschaftler Norman Aselmeyer von der Universität Bremen am Montag veröffentlichten, wenden sich über 100 internationale Wissenschaftler*in­nen und Ak­ti­vis­t*in­nen an die Bremer Politik. Unter dem Motto „Der Elefant im Raum“ fordern sie Nachbesserungen in der Aufarbeitung des Kolonialismus speziell in Bremen und Bremerhaven.

Die Verfasser*in­nen kritisieren Bürgerschaft und Senat für ihre Symbolpolitik und beklagen den Stillstand vieler Projekte und Einrichtungen, die sich mit dem Thema Dekolonisierung befassen. Nur durch die Einrichtung dauerhafter Strukturen könnten notwendige Veränderungen wirksam werden.

Werner Wick, Sprecher der Kulturbehörde versichert, dass inzwischen in allen Bremer Kultureinrichtungen ein Bewusstsein für das Thema bestehe. Konkret müsse vor allem die Vernetzung und Koordination von Dekolonisierungsprojekten gestärkt und gezielt in Bildungsarbeit investiert werden.

Ein Vorschlag der Konferenz­teilnehm­er*in­nen, unter ihnen unter anderem Jephta ­Nguherimo aus Kensington, der die Ovaherero People’s Memorial and Reconstruction Foundation gegründet hat, sowie der Geschichtsprofessor Oswald Masebo aus Tansania, sieht unter anderem vor, eine Koordinierungsstelle Koloniales Erbe sowie ein Kultur- und Dokumentationszentrum Kolonialismus zu schaffen. Dies sei eigentlich bereits im letzten Koalitionsvertrag festgeschrieben worden, die Umsetzung lasse jedoch seitdem auf sich warten.

Forschungsstelle an der Uni

Darüber hinaus fordern die Teilnehme­r*in­nen unter anderem eine Forschungsstelle zur kolonialen Geschichte an der Universität Bremen. Dabei sei die Zusammenarbeit mit Ak­teu­r*in­nen aus den ehemaligen Kolonien besonders wichtig. Zudem erinnern die Dis­ku­tan­t*in­nen an die Umsetzung der 2021 von der Bremer Stadtbürgerschaft beschlossenen Forderungen zur „Fortsetzung und Intensivierung des Bremer Erinnerungskonzeptes Kolonialismus“. Dies müsse fächerübergreifend in die Bremer Bildungspläne integriert werden.

Bereits in den 1970er-Jahren hatten sich zivilgesellschaftliche Akteur*innen, Wis­sen­s­chaft­le­r*in­nen und Künst­le­r*in­nen für eine Auseinandersetzung mit der Geschichte des Kolonialismus in Bremen stark gemacht. 2019 hatte Kultursenator und Bürgermeister Andreas Bovenschulte (SPD) die „Politischen Leitlinien zum Umgang mit dem Kolonialen Erbe“ verabschiedet.

Dennoch sei das Wissen um die koloniale Geschichte in Bremen und Bremerhaven lückenhaft, mahnen die Teilnehmer*innen. Vielen Projekten fehlten zudem die Ressourcen, um wirkungsvoll arbeiten zu können. Umso wichtiger sei es, dass künftige Strategien und Maßnahmen über reine Symbolpolitik hinausgehen.

Dekolonisierung sei ein Querschnittsthema, dessen sich der Senat weiterhin annehmen wird, betont Wick. Bereits im Januar 2024 werde der Kultursenator in der Deputationssitzung über den aktuellen Stand des Themas Bericht erstatten.

Bremen nimmt in der deutschen Kolonialismus-Geschichte eine wesentliche Rolle ein. Nicht nur war die Hansestadt stark in den Handel mit Kolonialwaren wie Baumwolle, Kaffee und Tabak eingebunden. Der Bremer Kaufmann Adolf Lüderitz hatte durch seinen Landkaufbetrug den Weg für den Völkermord deutscher Truppen an den Ovaherero und Nama im heutigen Namibia bereitet. Das zum Antikolonialismusdenkmal umgewidmete Backstein-Mahnmal in Form eines Elefanten erinnert an das koloniale Erbe der Stadt.

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