Feste feiern mit migrantischen Nachbarn: Die Zahnparty

Eigentlich müssten Ham­bur­ge­r*in­nen nicht wegfliegen, um andere Kulturen kennen zu lernen. Es würde reichen, ihre migrantische Nachbarschaft zu besuchen.

Ein lachendes Kleinkind mit den ersten zwei Zähnen.

Schnell feiern: der ersten Zahn bleibt nicht lang allein Foto: Alvin Mahmudov / Unsplash

Vor ein paar Wochen wurden meine Frau und ich von einer Bekannten zu einer Zahnparty eingeladen. Die Bekannte ist deutsch-griechisch-ägyptisch. Ihr Mann ist Afghane, der in Griechenland aufgewachsen ist. Auf der Party war auch ein Pakistani, der eine Afghanin geheiratet hat, und noch einige andere Afghan*innen.

Es war das erste Mal, dass ich an einer Zahnparty teilnahm. In unserer Familie machen wir so etwas nicht, aber in vielen anderen syrischen und migrantischen Familien feiern sie, wenn das Baby den ersten Zahn bekommt.

Wie bei vielen Festen wird viel gekocht, es gibt Süßigkeiten und auch halal Getränke. Ähnlich wie bei jeder Weihnachtsparty in deutschen Familien ohne Migrationshintergrund. Ich habe gelernt, dass Mi­gran­t*in­nen viel feiern und sich immer wieder neue Feste oder Partys überlegen. Vielleicht, weil sie immer versuchen, mit Feiern gegen das Exil und das Heimweh anzukämpfen. Vielleicht versuchen wir, eine neue familiäre Gesellschaft auch in unseren neuen Heimaten zu schaffen.

Als ich dort war und die Vielfalt an Essen aus unterschiedlichen Kulturen sah, dachte ich, dass Deutschland die ganze Welt eingeladen hat und eine neue deutsche Welt geschaffen hat, in der Menschen aus verschiedenen Kulturen zusammen feiern und ihre Kinder zusammen feiern lassen, dabei verschiedene Kulturen und Sprachen kennenlernen.

Immer mehr Deutsche in migrantischen Communitys

In Syrien hatte ich früher nicht viel Kontakt zu fremden Menschen, außer zu meinen Nach­ba­r*in­nen und meinen Freunden in der Schule, die alle aus der Nähe von Damaskus kamen. Wenn sie doch aus einer anderen Stadt kamen, dann wurden sie bei uns aufgenommen und „diabiesiert“ (unser Stadtteil heißt Diabia). Das erste Mal, dass ich viele Leute außerhalb meiner Verwandtschaft traf, war an der Universität, wo ich Menschen aus ganz Syrien, manchmal aber auch aus anderen arabischen Ländern kennenlernte.

Obwohl wir fast alle aus Syrien kamen, hatten wir unterschiedliche Kulturen, Akzente, Traditionen und Speisen. Das war für mich damals wie ein Kulturschock. Meine neuen Freunde und ich machten manchmal Witze übereinander und darüber, wie die anderen etwas sagten, die mehr Spaß als Beleidigung waren.

In Deutschland treffe ich fast jeden Tag Menschen aus der ganzen Welt. Aber wenn ich an die Deutschen ohne Migrationsgeschichte denke, sehe ich, dass auch viele von ihnen keine Bekanntschaften außerhalb ihres Kreises machen. Andererseits kennen sie viele Rezepte und Essen aus der ganzen Welt, während ich nur die syrische Küche kannte. Außer Pizza, die hatte es auch nach Syrien geschafft.

In Hamburg vermischen sich viele Kulturen in kleinen Wohnungen, um die neuen Zähne eines Babys zu feiern. Meiner Erfahrung nach sind die meisten dieser Partys davon immer noch unter migrantischen Communitys, bei denen nur wenige Deutsche eingeladen werden oder teilnehmen möchten. Auch wenn sich das seit 2015 durch neue Bekanntschaften und ehrenamtliche Tätigkeiten verändert hat.

Hamburg ist so vielfältig, mit Menschen aus der ganzen Welt. Wer weiß, vielleicht sind einige von ihnen deine Nachbar*innen? Eigentlich müssten viele Ham­bur­ge­r*in­nen seltener um die halbe Welt fliegen, sondern nur zu ihrer migrantischen Nachbarschaft gehen.

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