Verein für Vietnamesen in Deutschland: Botschaft half bei Gründung
Ein neuer Verein will die vietnamesische Gemeinschaft in Deutschland vertreten. Doch an der Unabhängigkeit gibt es deutliche Zweifel.
Berlin taz | Am Sonntag, 3. Dezember, gründet sich die „Vietnamesische Bundesvereinigung in Deutschland e. V.“. Der Verein will ein Dachverband aller vietnamesischen Integrationsvereine bundesweit sein und strebt die Gemeinnützigkeit an. Laut Satzung will der Verein als offizieller Vertreter der vietnamesischen Gemeinschaft in Deutschland auftreten und gegenüber Behörden sowie Medien sprechen. Bei genauerer Betrachtung entsteht jedoch der Eindruck, dass der Verein der verlängerte Arm der vietnamesischen Botschaft in Deutschland ist. Mit dem Ziel, die vietnamesische Gemeinde politisch für den vietnamesischen Staat zu vereinnahmen.
Die Botschaft hat jedenfalls in erheblichem Maße Geburtshilfe geleistet. Dort wurde laut der Exilzeitung Thoibao.de im Sommer 2022 das Vorbereitungskomitee für den Verein gegründet und dazu Personen eingeladen, die dem vietnamesischen Staat nahe stehen.
Der Botschafter selbst soll die Versammlung geleitet haben. Vorsitzender der Vorbereitungskommitees war der Chef des Dong-Xuan-Centers in Berlin, des größten Asiamarktes in Deutschland, Nguyen Van Hien. Ein Mann, der in vietnamesischen Staatsmedien sehr präsent ist und vom vietnamesischen Staat 2015 für seine Verdienste um die Sicherheit Vietnams ausgezeichnet wurde.
Innerhalb der vietnamesischen Gemeinde ist die Vereinsgründung aber umstritten. Mehrere Mitglieder haben laut vietnamesischsprachigen Medien die Vorbereitungsgruppe bereits verlassen. Unter den Integrationsvereinen hat die Vorbereitungsgruppe des neuen Dachverbandes allerdings Lobbyarbeit geleistet. Mitarbeiter zweier beteiligter Vereine, die beide nicht mit ihrem Namen zitiert werden wollen, sagen der taz: „Da müssen wir schon mitmachen, alle anderen Vereine machen ja auch mit.“ Und: „Die vietnamesische Botschaft will, dass wir mitmachen. Warum sollen wir das nicht tun?“
Früherer Verband wegen Streit aufgelöst
Eine, die ihre Kritik offen äußert, ist die Ärztin My Lam Hoang vom Bundesverband vietnamesischer Flüchtlinge – jener Vietnamesen, die nach 1975 als Bootsflüchtlinge aus Vietnam flohen. „Wenn der neue Verband behauptet, offizieller Vertreter der gesamten vietnamesischen Gemeinschaft in Deutschland zu sein, täuscht er die Öffentlichkeit“, sagt sie der taz. „Als Opfer kommunistischer Gewaltherrschaft schätzen wir die Werte der Freiheit und Vielfalt und lassen uns nicht unter einem mit Hilfe der vietnamesischen Botschaft gegründeten Einheits-Dachverband subsumieren.“
Eine Betriebswirtin, die seit 14 Jahren in Deutschland lebt, sieht den Bundesverband ebenfalls kritisch. „Die vietnamesische Botschaft initiiert immer neue Vereine, um die Vietnamesen hier zu kontrollieren, und das geschieht auch in anderen europäischen Staaten. Sie können doch kein kleines Vietnam aus Deutschland machen.“ Ihren Namen will sie mit Rücksicht auf ihre Verwandten in Vietnam nicht in der Zeitung lesen.
Lars Leuschner, Vereinsrechtsexperte an der Universität Osnabrück, hält es für fraglich, ob der neue Verein gemeinnützig sein kann, falls er Personen, die der vietnamesischen Regierung kritisch gegenüberstehen, den Zutritt verwehrt und falls er sich politisch betätigt. Die rechtlichen Vorgaben seien da allerdings unpräzise, fügt er an.
Zur Kritik am neuen Dachverband will sich das Vorbereitungskommitee gegenüber der taz nicht äußern. Der Organisator lehnte ab, Fragen am Telefon zu beantworten. Schriftliche Fragen ließ er unbeantwortet.
Dachverbände vietnamesischer Vereine gibt es in mehreren EU-Staaten, etwa Tschechien und Slowakei. In Deutschland gab es bis 2018 einen Dachverband. Er wurde auch wegen interner Streitigkeiten aufgelöst.