Ranking der coolsten Stadtteile: Abzüge in der B-Note
Laut dem britischen Lifestyle-Magazin Time Out ist Neukölln der coolste Bezirk der gesamten Republik. Das überrascht.
S chwer zu sagen, ob das Gejubel und Verteilen von Baklava von Islamisten-Fans auf der Sonnenallee direkt nach dem Gemetzel der Hamas am 7. Oktober in Israel noch in die Bewertung mit eingeflossen ist. Ganz sicher wird aber registriert worden sein, was da vergangenes Silvester an Krawallen los war.
Vielleicht gab beides ja Abzüge in der B-Note, aber nach einem Platz 15 im vergangenen Jahr hat es Neukölln immer noch auf Platz 22 der Onlineliste mit den coolsten Stadtvierteln weltweit des renommierten britischen Lifestyle-Magazins Time Out geschafft.
Da unter den 40 Bestplatzierten kein anderes Viertel aus Deutschland auftaucht, darf Neukölln sich getrost selbst als coolsten Bezirk der ganzen Republik feiern. Was nebenbei bemerkt besonders bitter für die direkte Konkurrenz ist. In Zeiten, in denen Berliner Stadtmagazine noch eine Bedeutung hatten, stellten diese andauernd Rankings mit den hipsten Stadtteilen auf – wobei die immer mit Vorsicht zu genießen waren. Schließlich landete dabei, wenn man sich recht erinnert, einmal ausgerechnet Charlottenburg ganz oben.
Auch wenn sich für solch einen innerstädtischen Szenebezirk-Wettbewerb heute noch irgendjemand interessieren würde, könnte man ihn fortan getrost einstellen. Schreibt das Time Out doch, Neukölln sei der „bei Weitem aufregendste Stadtteil“ Berlins und damit gewissermaßen uneinholbar.
Der unerwartet wohlwollende Blick von außen auf einen Bezirk, der hierzulande von vielen nur noch als eine einzige große Problemzone wahrgenommen wird, könnte nun so manche verwirren. Hubert Aiwanger zum Beispiel, der in Bayern trotz des Skandals um ein antisemitisches Flugblatt aus seiner Jugend wieder Vize-Regierungschef wird. Der Freie-Wähler-Chef registriert in dem Bezirk, wie man einem Tweet von ihm mit dem Hashtag Neukölln entnehmen kann, nichts weiter als: „Gewalttätige Ausschreitungen“ von „Partypeople“. Mit denen am besten folgendermaßen umzugehen sei: „Festnehmen, Verurteilen, Abschieben wer nicht unseren Pass hat.“
Das Time Out bleibt da um einiges gelassener als der ausgewiesene Berlin-Experte Aiwanger und schwärmt vom „ausgeprägten Multikulti-Feeling“ in Neukölln. Und das empfohlene „Middle Eastern Brunch“ auf der Sonnenallee könnte dem weltgewandten Bayern dabei helfen, Neukölln nochmals völlig neu für sich zu entdecken. Zumindest hätte er dann weniger Zeit, auf X Bürgergeld-Empfänger*innen als „Taugenichtse“ zu beschimpfen und damit den xten Shitstorm gegen seine permanente rechte Hetze auszulösen.
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