Medien zum Krieg in Nahost: Verzerrte Tatsachen
Nicht selten ist die Berichterstattung über den Krieg im Nahen Osten sehr einseitig. Schwarz-weiße Betrachtungen werden der Realität kaum gerecht.
![Bildschirm mit Porträts der entführten Geiseln leuchtet auf einer Straße Bildschirm mit Porträts der entführten Geiseln leuchtet auf einer Straße](https://taz.de/picture/6680518/14/Fotos-von-der-Hamas-entfuhrter-Israelis-1.jpeg)
A ls kürzlich der Sprecher der israelischen Regierung den britischen Sky News ein Interview gab, kam die Frage, ob die Tatsache, dass für 50 israelische Geiseln 150 palästinensische Häftlinge freigelassen werden, Indiz dafür sei, dass in Israel palästinensische Leben als weniger wertvoll erachtet werden als israelische. Dem sonst sehr schlagfertigen Regierungssprecher hat es daraufhin einen Moment lang die Sprache verschlagen.
Die Hamas weiß spätestens seit dem Jahr 2011, als über 1.000 Häftlinge für einen entführten israelischen Soldaten ausgetauscht wurden, was Israel für das Leben seiner Bürger und Bürgerinnen herzugeben bereit ist. Es ist nahezu surreal, diese erpressische Situation umzudrehen und zu suggerieren, dass Israel palästinensische Leben nicht wertschätzt.
Viele Juden, Israelis und andere Beobachter – egal, ob sie für oder gegen den Krieg in Gaza sind – erleben in diesen Wochen immer wieder eine Tatsachenverzerrung, die man als mediales „Gaslighting“ bezeichnen könnte. Vor lauter Infragestellung trauen sie kaum noch ihren eigenen Ohren und Augen. An Beispielen mangelt es nicht: So schweigen feministische Organisationen eisern zu den grausamen sexuellen Gewaltverbrechen des 7. Oktobers.
Der irische Premierminister twitterte über die Freilassung einer 9-jährigen Geisel, dass ein „verlorenes“ Mädchen „wiedergefunden“ worden sei. Ein wichtiger deutscher Sender stellt fest, dass „From the river to the sea, Palestine will be free“ auch als friedliche Botschaft gemeint sein kann – obwohl ein Blick auf die Landkarte wenig Zweifel daran lässt, dass die Existenz Israels damit aberkannt wird.
Wer in solchen Fällen erbost nach Klarheit ruft oder die eindeutige Benennung der Tatsachen einfordert, wird kopfschüttelnd den Vertretern eines bestimmten Narrativs zugeordnet, zu dem es, wie immer bei diesem Thema, stets auch die Gegenposition geben muss. Haltungen, die nicht in das Modell der Unterdrücker und Unterdrückte passen, scheint es gar nicht mehr geben zu dürfen.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Tabubruch der CDU
Einst eine Partei mit Werten
Trump und die Ukraine
Europa hat die Ukraine verraten
Social-Media-Star im Bundestagswahlkampf
Wie ein Phoenix aus der roten Asche
Krieg und Rüstung
Klingelnde Kassen
Gerhart Baum ist tot
Die FDP verliert ihr sozialliberales Gewissen
Mitarbeiter des Monats
Wenn’s gut werden muss