: Kleiner, jünger, erfolgversprechend
Holstein Kiel verliert 0:2 gegen Nürnberg. Sportchef Uwe Stöver ist dennoch überzeugt, dass der Fußballclub in der Zweiten Liga oben mitspielen kann
Von Frank Heike
Mit dem Blick auf die Tabelle muss man Uwe Stöver nicht kommen. Seine Antwort enthält das in Fußballkreisen beliebte Wort „Momentaufnahme“, denn Stöver mag überschießende Erwartungen nicht besonders. Der Blick aufs große Ganze behagt dem 56 Jahre alten Sportchef von Holstein Kiel eher: „Für uns ist eine weitere Etablierung in der Zweiten Liga eine realistische und vernünftige Zielsetzung.“
Also kein Hoffen auf den Aufstieg in die Bundesliga – den Holstein 2018 und 2021 in der Relegation verpasste? Stöver antwortet: „Wenn du Erfolg hast, weckt das Begehrlichkeiten. Deswegen versuchen wir immer, Realismus walten zu lassen. Wo kommen wir her? Wie sind wir aufgestellt? Wir sind nun in der siebten Saison in der Zweiten Liga und messen uns mit Vereinen wie Schalke, Hertha, dem HSV. Das ist uns in den letzten sechseinviertel Jahren mehr als ordentlich gelungen.“
Eine Einschätzung, der das 0:2 gegen den 1. FC Nürnberg am Sonntagmittag im Holstein-Stadion nichts anhaben kann – als Vierter steht die KSV Holstein immer noch gut da.
Zuletzt erreichte Kiel unter Trainer Marcel Rapp die Ränge neun und acht. Säulen wie Hauke Wahl (FC St. Pauli) und Fabian Reese (Hertha BSC) sind gegangen, Fin Bartels hat aufgehört. Dafür sind nun Talente wie Tom Rothe (Borussia Dortmund) und Colin Kleine-Bekel (Holstein U23) dabei – sowie Königstransfer Shuto Machino.
Rapps verjüngtes, verändertes Team wirkt trotz der Niederlage vom Sonntag stabiler, robuster, klopft ganz oben an. Das freut Stöver, lässt es doch Rückschlüsse auf seine Vorarbeit zu: „Das Trainerteam und ich waren uns schon im Frühjahr einig, dass wir den Kader zur neuen Saison verändern, sprich verkleinern und verjüngen wollten. Dementsprechend haben wir 16 Spieler abgegeben und elf dazubekommen. Unser Ziel war es, die neue Mannschaft zum Trainingsstart zusammenzuhaben. Das ist uns bis auf Shuto Machino gelungen, der dann eine Woche später zur Abreise ins Trainingslager dazustieß. Wenn ich jetzt sehe, dass wir offenbar manches richtig eingeschätzt haben, macht das glücklich.“
Allzu viel will Uwe Stöver indes nicht aus dem gelungenen Einstieg ableiten. Der gebürtige Wuppertaler sagt: „Wir sind sehr gut in die Saison gestartet. Jetzt werden auch wir etwas von den Emotionen und der Euphorie getragen. Um oben dranzubleiben, musst du in einen gewissen Flow kommen und die Welle so lange wie möglich reiten.“ Dann könne auch wieder ein vorderer Platz herausspringen: „Für einen Verein wie Holstein Kiel ist Rang drei ein eher positiver Ausreißer. Dafür müssen bei einem Verein mit unseren Möglichkeiten viele Dinge gut laufen.“
Mögen die Möglichkeiten überschaubar sein, so hat Holstein mit den beiden Teilnahmen an der Relegation doch für ein Aufhorchen in der Szene gesorgt, mehr noch durch den Sieg im Pokal gegen den FC Bayern München im Januar 2021: „Seitdem weiß Fußballdeutschland, wo Kiel liegt. Das war für unser Image von allergrößter Wichtigkeit“, sagt Stöver, der die dicken Schlagzeilen gern anderen Klubs überlässt: „Manchmal ist es gar nicht schlecht, sich unter dem Radar zu bewegen.“
Er selbst wird den Verein im Sommer 2024 verlassen: „Sportlich habe ich keinen Grund, wegzugehen“, sagt er und fügt an: „Es gibt auch andere Dinge als Fußball, zumal im fortschreitenden Alter. Ich bin seit sieben Jahren, mit einer kleinen Unterbrechung, im hohen Norden. Ich bin weit weg von zu Hause. Es gibt private, persönliche Themen, die mich zu dieser Entscheidung gebracht haben.“
Was er gern noch anschieben möchte, beziehungsweise seinem Verein aufgibt: „Wir haben gute Bedingungen, ein gutes Trainings- und Leistungszentrum. Aber beim Thema Holstein-Stadion müssen wir unbedingt etwas machen, um unsere Konkurrenzfähigkeit zu erhalten und auszubauen. Durch eine größere Kapazität und einen höheren Stadionkomfort erzielen wir auch mehr Einnahmen. Da müssen wir den nächsten Schritt gehen.“ Dann allerdings ohne Uwe Stöver.
Links lesen, Rechts bekämpfen
Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen