Junge Menschen und die CDU: Können Konservative träumen?

Die CDU ist pragmatisch und will Altes wahren. Oder? Ein Gespräch mit Anna Kreye von der CDU Sachsen-Anhalt über Zukunftsängste von jungen Menschen.

Anna Kreye steht mit orangenen Mantel vor einem Wohnhaus

Sieht Konservatismus als die „Spitze des Fortschritt“: Anna Kreye von der CDU Sachsen-Anhalt Foto: Harald Krieg

taz: Frau Kreye, haben Sie Angst vor der Zukunft?

Anna Kreye: Als Angst würde ich es nicht betiteln. Vielleicht leichte Bauchschmerzen. Zum Beispiel, wenn ich daran denke, dass die AfD so stark war in den Landtagswahlen. Die AfD ist eine Partei, die Hass schürt. Ich habe Sorge, dass er gesellschaftlich weiter zunimmt. Mit ihm verschließen sich die Menschen und sind weniger kompromissbereit. So wäre kein Fortschritt in Sicht.

29, ist gebürtig aus Magdeburg. Die gelernte Juristin ist Büroleiterin der Innenministerin in Sachsen-Anhalt und Schatzmeisterin der Jungen Union.

Bei den Wahlen in Bayern und Hessen haben viele junge Menschen ihre Stimme der AfD gegeben. Ähnlich war das 2021 in Sachsen-Anhalt. Die AfD wurde bei den Wahlen stärkste Kraft bei den Unter-30-Jährigen. Was sind Gründe dafür?

Das kann ich nicht sicher beantworten. Die Wahlen in Hessen und Bayern zeigen aber, dass es nicht mehr nur ein Ost-Phänomen ist.

Wir leben in einer Zeit voller Umbrüche. Jugendforscher Klaus Hurrelmann meint, dass diese Umbrüche zu Zukunftsängsten beitragen. Wie geht die CDU als Volkspartei diese Ängste an?

Illustration von Ali Arab Purian

🐾 Von der Kneipe an der Ecke bis zum solidarischen Garten in Bogotá: Junge Au­to­r*in­nen haben sich auf die Suche nach utopischen Ideen begeben. Die dabei entstandenen Artikel haben sie in einer Sonderausgabe der taz veröffentlicht.

Zukunftsängste sind ernst zu nehmen. Im Umgang mit ihnen ist es wichtig, das direkte Gespräch mit den Menschen zu suchen. Wir müssen ehrlich kommunizieren, was möglich ist. Keine falschen Versprechen, sondern eine sachorientierte Politik. Eine Politik, die erst mal von der Eigenverantwortung ausgeht, aber an den nötigen Stellen Hilfe leistet. Als CDU muss es uns noch besser gelingen, auch zwischen den Wahlen zu signalisieren: Bei Redebedarf hören wir euch zu und nehmen eure Probleme ernst.

Friedrich Merz oder verschiedene CSU-Politiker verfallen regelmäßig in populistische Aussagen. Wie gefährlich ist das?

Das Schlimmste, was ein Politiker – egal welcher Partei – tun kann, ist lügen oder einfach irgendwelche Parolen raushauen. Auch wenn das einfacher ist.

In Thüringen ist die AfD besonders stark. Mit Blick auf die Wahlen im nächsten Jahr: Ist dort und in anderen ostdeutschen Bundesländern die Brandmauer utopisch geworden?

Erst mal mag ich den Begriff Brandmauer nicht, damit kann ich wenig anfangen. Es gibt den Unvereinbarkeitsbeschluss der CDU, dass es keine politische Zusammenarbeit mit der AfD und der Linken gibt. Mit Blick auf die Werte der CDU halten wir daran fest.

Das heißt dann womöglich: nicht regieren.

Genau, und auch eine Minderheitsregierung unter Tolerierung dieser beiden Parteien lehne ich ab. Mit der CDU darf es das nicht geben!

Glauben Sie, das gilt für die gesamte CDU?

Das hoffe ich doch. Wenn nicht, ist das nicht meine Partei.

Junge Wäh­le­r*in­nen muss man anders ansprechen. Wie gelingt das der CDU?

Ja, die Ansprache muss definitiv anders sein. Ich gehe aktiv auf Leute im vorpolitischen Raum zu. Ich bin neben der Jungen Union auch im Sportverein aktiv. Ich fahre Rennrad. Und natürlich ist die Präsenz etwa auf Instagram und Tiktok wichtig.

Für die CSU läuft es gut auf Tiktok, die CDU hat kaum Follower. Auch die AfD ist stark in den sozialen Medien. Welche Strategien diskutiert die Junge Union zum Umgang mit Social Media?

Mittlerweile finden viele Sitzungen hybrid statt, es gibt viele digitale Diskussionsformate. Das spricht auch junge Mitglieder an, die etwa gerade ein Auslandssemester absolvieren und am Deutschlandtag oder einer Vorstandssitzung der Jungen Union teilnehmen wollen.

Konservatismus heißt auch Erhalt des Status quo, aber wir leben in einer bewegten Zeit. Können Konservative utopisch denken?

Kommt darauf an, was man unter Utopie versteht. Geht es darum, groß und anders zu denken, dann auf jeden Fall. Wenn es aber bedeutet, alles über Bord zu werfen, dann nicht. Jemand Konservatives will nicht von jetzt auf gleich ein ganz anderes System, wenn das Bestehende gut funktioniert. Konservativ zu sein heißt für mich abwägen: Was kann man Gutes beibehalten, was kann man Schlechtes verbessern? Konservatismus ist nicht zurückgewandt, sondern bedeutet Fortschritt. Meinetwegen auch die Spitze des Fortschritts, mit einer Politik ohne falsche Versprechungen. Mit Blick auf die vor uns stehenden Herausforderungen ist das wichtig.

Welche Vorstellungen für eine bessere Zukunft der Krisenbewältigung kann die CDU jungen Wäh­le­r*in­nen bieten? Wie will die CDU die großen Krisen bewältigen?

Die CDU ist eine Partei, die ein starkes Europa, den Fachkräftemangel und den Klimawandel fest im Blick hat. Aktuell schreibt die CDU an einem Grundsatzprogramm, das ein Stück des Kompasses sein wird, um die Krisen unserer Zeit zu bewältigen. Ich bin gespannt, was da letztlich rauskommt.

Viele junge Menschen bewegt die Angst vor oder das Erleben von Armut. Wie will die CDU damit umgehen?

Wichtig ist, die Menschen, die wollen, in Arbeit zu bekommen. Und der Arbeitende muss mehr bekommen als der Arbeitslose. Das bedeutet, Arbeitsbedingungen zu verbessern und für faire Löhne zu sorgen. Unser Sozialsystem funktioniert. Niemand, der nicht möchte, muss auf der Straße leben.

Was ist mit den über 35.000 Menschen, die aktuell in Deutschland auf der Straße lebe­n?

Eigentlich sieht das Sozialsystem Begleitung und Beratung vor. Aber die Kommunen sind überlastet. Deshalb braucht es mehr direkte Anlaufstellen, und es gilt, bürokratische Hürden abzubauen.

Sie sehen den Fachkräftemangel als großes Problem unserer Zeit. Wie geht die CDU es an?

Tausende Ausbildungsplätze bleiben in Deutschland jährlich unbesetzt. Ein Problem ist die Kommunikation. Immer mehr Leute beginnen ein Studium, ohne die Alternativen zu kennen. Als erster Ansatz könnte duale Ausbildung besser kommuniziert werden. Zudem dürfen Ausbildungen nicht teurer sein als ein Studium. Und Angebote, ins Ausland zu gehen, könnten die Ausbildung attraktiver machen. Zeitgleich müssen wir qualifizierte Fachkräfte aus dem Ausland schnell zum Arbeiten kriegen und integrieren.

Wenn Sie persönlich in die Zukunft, etwa ins Jahr 2050, blicken, was sehen Sie dann?

Es sind große Herausforderung, vor denen Sachsen-Anhalt, vor denen Deutschland, vor denen Europa steht. Die Europäische Union ist vielen Krisen ausgesetzt. Ich hoffe, 2050 existiert sie noch und ist viel handlungsfähiger geworden. Allein als Deutschland werden wir ­gegen Großmächte wie Russland, die USA und China nicht bestehen können.

Sie sagten, auch die Klima­krise bereitet Ihnen Sorgen.

Hoffentlich ist bis 2050 die Frage geklärt, wie wir erneuerbare Energien effizient speichern können. Damit Solar­anlagen oder Windkraftwerke nicht abgestellt werden müssen, weil die Produktionskapazitäten voll sind.

Wobei bis 2045 Deutschland sowieso längst klimaneutral sein sollte.

Das hoffe ich auch. Und ich hoffe, dass bis 2050 jeder Zugang zum öffentlichen Verkehrsnetz hat.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Wir würden Ihnen hier gerne einen externen Inhalt zeigen. Sie entscheiden, ob sie dieses Element auch sehen wollen.

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.