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Weniger Lärm, weniger UnfälleDer große Spaß bei Tempo 30

Wer im dreistelligen Stundenkilometerbereich sausen kann, ist nicht begeistert. Für alle Nichtautofahrer ist Tempo 30 innerorts ein Genuss.

Stau in Düsseldorf: In Großstädten liegt das Kfz-Durchschnittstempo unter 30 Stundenkilometer Foto: Michael Gstettenbauer/imago

I ch bin gegen Tempo-30-Zonen. Damit stehe ich nicht allein. Viele Autofahrer fühlen sich durch Tempo-30-Zonen eingeschränkt: Sie haben viele tausend Euro für ein Gefährt ausgegeben, das in der Lage ist, im dreistelligen Stundenkilometerbereich dahinzusausen – und sollen besseres Radfahrtempo fahren? Dabei werden sie ohnehin dauernd behindert: In Großstädten liegt das Kfz-Durchschnittstempo zur Hauptverkehrszeit deutlich unter 30 Stundenkilometer. Grund sind Staus – also zu viele Autos auf einem Haufen: In München stehen Autofahrer jährlich beeindruckende 74 Stunden im Stau, in Berlin 71 Stunden, selbst in Bremen sind es 40 Stunden.

Ganz schön viel Lebenszeit! Ich kann mich also gut in das Leiden der Autoeinsitzenden einfühlen, wenn ich an ihnen vorbeiradele. In der Werbung sieht alles schön aus: das Auto als dahingleitender Bezwinger sich ewig dahinziehender Küstenstraßen, gelenkt von schlanken, sportlichen Menschen, die stets auf Anhieb einen Gratisparkplatz direkt vor ihrem Ziel finden. Und jetzt haben sie dieses Auto, sind in der Stadt unterwegs, rote Ampeln leuchten, wo immer sie parken wollen, steht schon jemand. Und ist dann mal freie Fahrt, sollen sie wegen eines Schilds langsamer fahren, als sie könnten?

Nein. Nicht wegen eines Schilds, sondern weil da Menschen wohnen, zu Fuß gehen, Rad fahren. Bei Tempo 30 halbieren sich wahrgenommener Verkehrslärm und Unfallgefahr. Die Gefahr tödlicher Unfälle sinkt sogar um 75 Prozent. Tempo 30 verringert also die dem Autoverkehr immanente, konstante Verletzung der Gesundheit aller (gerade) nicht Auto Fahrenden.

Ich habe nichts gegen die 30, sondern störe mich aber an der „Zone“. Schließlich leben innerorts überall Menschen, die ungern belärmt und überfahren werden. Ich habe noch nie von jemand gehört, seine Traumwohnung müsse vor allem ein Kriterium erfüllen: an einer vielbefahrenen Straße ohne Geschwindigkeitsbeschränkung liegen. Logisch wäre also flächendeckend Tempo 30 innerorts.

Her mit innerorts Tempo 30!

Das würde auch mehr Spaß für Verkehrsfreidemokraten ermöglichen. Denn vermutlich gäbe es dann in jedem noch so kleinen Ort mindestens eines dieser Tempomessgeräte mit Smiley. Jeder bekäme die Möglichkeit, mit seinem Rad ein böses Gesicht auf die Anzeige zu zaubern. Das bedeutete Freiheitsdrang ausleben und Leistung erbringen in einem!

Funfact: Auf dem Rad ist man nicht durch die allgemeinen Geschwindigkeitsbegrenzungen der StVO eingeschränkt (die gelten nur für Kfz), sondern hat eigenverantwortlich schlicht darauf zu achten, niemanden zu gefährden.

Auch im Sinne von Freiheit, Leistung und Eigenverantwortung sollte es also heißen: Schluss mit Tempo-30-Zonen, her mit innerorts durchgängig 30! Falls eine Bürgerinitiative die Einführung einer Tempo-50-Zone in der Straße vor der eigenen Haustür wünscht, kann man ja immer noch über Ausnahmeregelungen nachdenken.

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Kerstin Finkelstein
Dr. phil, Journalistin und Buchautorin, Expertin für Verkehrspolitik und Migration. Studium in Wien, Hamburg und Potsdam. Volontariat beim „Semanario Israelita“ in Buenos Aires. Lebt in Berlin. Bücher u.a. „Moderne Muslimas. Kindheit – Karriere - Klischees“ (2023), „Black Heroes. Schwarz – Deutsch - Erfolgreich“ (2021), „Straßenkampf. Warum wir eine neue Fahrradpolitik brauchen“ (2020), „Fahr Rad!“ (2017).