Diskussion um Beiträge bei X: Bremer Professorin teilt AfD-Posts
Eine Dekanin an der Uni Bremen soll in den sozialen Medien Beiträge geteilt haben, die gegen Migrant*innen und die Coronapolitik hetzen.
„Wir erwarten vom Rektorat, dass es sich von den geteilten Positionen distanziert, gerade wenn es in Richtung von AfD-Inhalten geht“, sagt Jona Dirks vom Asta.
„Wir distanzieren uns in jeglicher Hinsicht von extremistischen, rassistischen und demokratiefeindlichen Äußerungen“, schreibt die Sprecherin der Uni, Kristina Logemann. Welche Konsequenzen Hagemann befürchten muss, möchte die Uni nicht sagen: Es handle sich um eine personalrechtliche Angelegenheit. „Das Rektorat befindet sich mit Vera Hagemann im Gespräch“, versichert Logemann lediglich.
Der taz liegen Screenshots von einem mittlerweile gelöschten X-Account mit dem Namen Vera Hagemann vor. Die Bilder zeigen unter anderem geteilte Beiträge vom Berliner AfD-Politiker Georg Pazderski, der unter ein Video von jubelnden Schwarzen Menschen schreibt: „Die Fachkräfte sind mit ihren Frauen und Kindern in Spanien angekommen und sie werden sicherlich auch den Weg nach Deutschland finden.“ Außerdem hat Hagemann den Screenshots zufolge einen Beitrag von Markus Krall geteilt, in welchem er die Corona-Impfungen als „Giftspritzen“ bezeichnet.
Forschungsprojekt wird vom Bund finanziell gefördert
„Mit dem Post über Giftspritzen hat sie den Raum, was man Kritisches über Corona sagen kann, weit verlassen. Für wissenschaftliche Arbeit ist das problematisch“, sagt Dirks mit Blick auf das Forschungsprojekt „CovStress“, an dem Hagemann maßgeblich beteiligt ist. „Selbst wenn das Projekt handwerklich sauber durchgeführt wird, ist immer noch die Frage, welche Agenda damit unterstützt wird.“ Wenn verschwörungstheoretische Ansichten dahinter stünden, unterstütze das leicht „die Narrative von Verschwörungstheoretiker*innen“.
Das Forschungsprojekt wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung finanziell gefördert. „Wir fragen uns, warum das Projekt unterstützt wird und ob die Verantwortlichen das ignoriert haben oder ob Frau Hagemanns Hintergrund tatsächlich nicht bekannt war“, sagt Dirks.
Auf die Fragen der taz, ob man sich von den Inhalten der Beiträge distanziere und ob man bei der Vergabe von Forschungsgeldern aus diesem Vorfall etwas lernen könne, antwortet das Bundesministerium trotz wiederholten Nachfragen nicht. Es verweist lediglich auf die Uni Bremen. Logemann von der Uni wiederum verweist nur auf die Wissenschaftsfreiheit und darauf, dass Forscher*innen ihre Themen selbst wählen und bearbeiten.
Die taz ist bei der Recherche außerdem auf einen weiteren X-Account gestoßen, der ebenfalls Vera Hagemann zugeordnet werden kann. Der Account mit dem Benutzernamen @DoktorinV ist einer der fünf Follower des X-Accounts des Forschungsprojektes, an dem Hagemann mitwirkt. Das Forschungsprojekt folgt diesem Profil zudem ebenfalls. Die Selbstbeschreibung lautet „Psychologin und Mutter“, was auf Hagemann als Professorin für Wirtschaftspsychologie zutrifft.
Das Hintergrundbild, das dieser Account verwendet, zeigt genau wie das LinkedIn-Profil von Hagemann ein Panoramabild von einer Windmühle – es ist nicht exakt das gleiche Foto, zeigt aber den gleichen Ort zu verschiedenen Tageszeiten. Zudem weist dieser Zweitaccount am 19. Juni die gleiche Abfolge von Beiträgen auf, wie der mittlerweile gelöschte Account „Vera Hagemann“. Dabei handelt es sich um den besagten Beitrag von Georg Pazderski und einem Beitrag, der behauptet, dass die Gefahr für die Welt nicht im Kreml, sondern „kopfnickend vor der Tagesschau“ sitze.
Hagemann möchte sich dazu nicht in der Öffentlichkeit äußern. Wenige Stunden nach der taz-Anfrage verschwindet das Hintergrundbild im Zweitaccount, die Profilbeschreibung ist gelöscht und der Benutzername von @DoktorinV zu @schoenewelt1 geändert. Zwei Tage später ist der Account ganz verschwunden.
Universität distanziert sich
Auf dem Zweitaccount wurde unter anderem auch ein Beitrag geteilt, in dem ein Video der Freien Sachsen eingebettet ist. Das Landesamt für Verfassungsschutz Sachsen bezeichnet die Freien Sachsen als Gruppierung von Neonationalsozialisten und NPD-Funktionären. 2021 stufte der Verfassungsschutz die Partei als „erwiesen rechtsextremistische Bestrebung“ ein. In dem Video gibt ein Schwarzer Jugendlicher einem anderen Jugendlichen eine Kopfnuss. Der Betroffene hält sich die Hände vor das Gesicht, es fließt Blut auf den Boden. Der Nutzer, der das Video ursprünglich hochgeladen hat, schreibt dazu: „Die einheimischen Kinder und Jugendlichen werden solchen Wölfen zum Fraß vorgeworfen.“
„Die Universität distanziert sich entschieden von den Inhalten, die den übermittelten Tweets zu entnehmen sind“, schreibt Sprecherin Logemann, „wir stehen für Demokratie, Pluralismus und ein respektvolles Miteinander.“ Der Asta befürchtet laut Dirks, dass Studierende von Hagemann rassistisch diskriminiert werden könnten.
Logemann verweist für solche Fälle auf die Arbeitsstelle gegen Diskriminierung, an die sich Studierende der Uni Bremen wenden können, wenn es zu einem Vorfall kommt. „Hinweise unserer Studierenden und Mitarbeitenden auf diskriminierendes Verhalten jeglicher Art nehmen wir sehr ernst.“
Links lesen, Rechts bekämpfen
Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Wirtschaft aber für junge Menschen
Das Problem mit den Boomer-Ökonomen
Koalitionsverhandlungen in Thüringen
Die Brombeer-Ernte ist gefährdet
Ex-Chefinnen der Grünen Jugend
„Wir dachten, wir könnten zu gesellschaftlichem Druck beitragen“
Demografie
Es wird Zeit, reichen Rentner-Boomern ins Gewissen zu reden
Waffenlieferungen an Israel
Es geht nicht ohne und nicht mit
Ein Brief in die USA
Dear family, dear friends