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Im Krieg vereint, in der Hilfe entzweit

Der britische Premier Tony Blair trifft mit seinen Hilfsplänen für Afrika auf eine entschlossene Blockade der USA

WASHINGTON taz ■ Am Dienstag war Tony Blair hoffnungsvoll nach Washington gereist. Im Vorfeld des im Juli in Schottland stattfindenden G-8-Treffens wollte der britische Premier die USA für seine ambitionierte Afrika-Hilfe mit ins Boot ziehen. Doch die US-Regierung war lediglich bereit, ihre Hilfe um zusätzliche 674 Millionen Dollar aufzustocken – eine Geste, die nicht verschleiern kann, dass Blair mit fast leeren Händen nach Hause zurückkehrt.

Allen Vorschlägen zu Blairs ehrgeizigem Projekt, das manche einen Marshallplan für Afrika nennen, zeigte Präsident Bush vorerst die kalte Schulter: Dem völligen Schuldenerlass für die 32 ärmsten Länder und der Verdoppelung internationaler Hilfe auf 80 Milliarden Dollar bis zum Jahr 2010, die nach Ansicht der Briten notwendig ist, um das Ziel der Vereinten Nationen zu erreichen, die weltweite Armut bis 2015 zu halbieren.

Bush lehnt ferner Blairs Plan zur Schaffung eines internationalen Finanzsystems zur Armutsbekämpfung in Afrika ab. Dieses sieht die Ausgabe von Anleihen auf künftige Entwicklungshilfebudgets reicher Industrienationen vor. Der Verkauf solcher Schuldverschreibungen auf dem internationalen Kapitalmarkt könnte zwischen 25 und 50 Milliarden Dollar pro Jahr einbringen und so die Hilfen für arme Länder verdoppeln.

Die US-Regierung verteidigt ihre Haltung damit, dass sie ihre Entwicklungshilfe für Afrika in den vergangenen vier Jahren verdreifacht und Mittel für die Aids-Hilfe massiv aufgestockt habe. Weitere Milliardenhilfen würden zudem nur Sinn machen, sollten sie an Auflagen zur Korruptionsbekämpfung und Demokratieförderung geknüpft sein.

Fortschritte scheiterten vor allem daran, dass Washington und London unterschiedliche Vorstellungen haben, wie der von beiden Seiten grundsätzlich gewollte Schuldenerlass finanziert werden soll. Die Briten wollen den Löwenanteil den Industriestaaten aufbürden und so Geldgeberinstitutionen wie die Weltbank entlasten. Nach Ansicht der US-Regierung soll die Weltbank die Kosten absorbieren, was in Zukunft sinkende Finanzhilfen für arme Länder bedeutet.

London hat überdies vorgeschlagen, dass der Internationale Währungsfonds Teile seiner Goldreserven verkauft. Der in den letzten Jahren gestiegene Goldpreis hat den Wert der Reserven deutlich erhöht. Bush hat diese Idee verworfen, zu groß ist die Angst goldfördernder Bundesstaaten im eigenen Land vor sinkenden Goldpreisen.

Hilfsorganisationen wie Oxfam reagierten frustriert auf Bushs Blockade. Sie appellierten an Blair, seine Pläne nicht von den Amerikanern verwässern zu lassen. Jeffrey Sachs, Entwicklungsexperte an der Columbia University, monierte, dass die USA „nicht gerade ihr weltweites Gewicht bei diesem Thema in die Waagschale werfen“. Es sei ein Mythos in den USA, dass Hilfsgelder zumeist im Sumpf von Korruption und ineffizienter Bürokratie versänken. Viele Hilfen seien mittlerweile an strengere Vergabekriterien geknüpft. Die Washington Post forderte Bush gar zu einem „kühnen Schritt“ auf, mindestens sechs Milliarden Dollar jährlich für Afrika bereitzustellen. Gemessen am Wohlstand des Landes sei dies immer noch ein bescheidender Beitrag. Und weit entfernt von der 0,7-Prozent-Marke des Bruttoinlandsprodukts, zu der Blair alle G-8-Staaten bei der Entwicklungshilfe verpflichten will.

MICHAEL STRECK

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