Online-Shop für Gourmets: Vergesst Hummer, Trüffel, Austern!

Der Webshop des Berliner Sterne­restaurants Nobelhart & Schmutzig ist kurios und teuer. Aber er ist auch was für feine Gaumen.

Angeschnittener Stollen.

Wer bei im Webshop bei Nobelhart & Schmutzig nichts mehr bekommt, Stollen gibt es jetzt überall Foto: imago

Wenn Sie das hier lesen, können Sie den „besten Rosinenstollen der Republik“ leider nicht mehr bestellen. Am 19. Oktober war Schicht im Schacht und Frist beim Fraß. Das tut mir jetzt leid, aber Kolumnenrhythmus, Wochenausgabe – da war nicht mehr drin.

Vielleicht wäre Ihnen der Stollen aber ohnehin zu teuer gewesen, denn ein Kilo – es ist „handgemacht mit viel Liebe und starken Händen“ und hat „für 24 Stunden in Leinentüchern geruht“ – kostet im Onlineshop „Hausgemachtes“ 39,80 Euro. Wobei der Stollen kilo­preistechnisch einer der Schnapper im Angebot ist. Da geht es rauf bis zu Apfelpüree (für 58,70 Euro das Kilo), Blütenzucker (104 Euro) und schließlich zum Tee „8 Unsterbliche ­Oolong Spitzenklasse“ (940 Euro).

Betrieben, nein, Verzeihung: „Kuratiert“ wird Hausgemachtes vom Berliner Sterne­restaurant Nobelhart & Schmutzig. Das ist bekannt durch seinen kernigen Namen und als einer der Vorreiter von radikal lokaler und saisonaler Gourmetküche, die Ungewohntes und Großartiges selbst aus Dingen wie Rote Bete oder Sellerie holt. Auch fermentiert wird dort, bis die Rübe kracht. Schon während der Coronapandemie konnte man einige der Nobelhart-Produkte und -Zutaten bestellen, Anfang 2023 ist ein ganzer Shop daraus geworden. Und weil sich aktuell immer stärker zeigt, dass die Sternegastronomie trotz saftiger Menüpreise kaum gewinnbringend arbeiten kann, ist so ein zweites Standbein sicher nicht verkehrt.

Einmal die Woche kriege ich nun also Mails vom Hausgemachtes-Team und studiere mit einer Art „Ich kann nicht wegschauen“-Faszination die Produktnamen und -beschreibungen. Ich erfahre von infrarotgeröstetem Sesam- und Perillaöl, Chicoree-Wurzelbrand und Zwiebelragout mit Kamille, lese über die „beste geklärte Butter aus Brandenburg, sanft über Buchenholzspänen geräuchert“, dass „die aus Wildsammlung gepflückten Holunderblüten für zwei Wochen in der Sonne mazerieren“ und dass „fünf verschiedene Sorten Quitten von Peter Kunzes eigenen Bäumen sich hier kaltgepresst und mit etwas Gelierzucker zu einem goldgelben Fest vereinen“.

Dieser Text stammt aus der wochentaz. Unserer Wochenzeitung von links! In der wochentaz geht es jede Woche um die Welt, wie sie ist – und wie sie sein könnte. Eine linke Wochenzeitung mit Stimme, Haltung und dem besonderen taz-Blick auf die Welt. Jeden Samstag neu am Kiosk und natürlich im Abo.

Die Idee, dass für gute, wirklich richtig gute Lebensmittel viel Zeit, viel Handarbeit und damit viel Geld nötig ist, wird hier auf die Spitze und darüber hinaus getrieben. Vergesst Hummer, Trüffel, Austern – im Marktsegment der dezenten Distinktion kann alles Luxus sein. Auch eine Flasche Birne-Wacholder-Saft für 17 Euro oder ein Viertelliter Rhabarber-Duschgel für 46 Euro.

Ob es das Geld wirklich wert ist? Vielleicht ja. Und ganz bestimmt sogar, wenn man nur fest genug daran glaubt.

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Jahrgang 1980, lebt in Berlin und ist Redakteur der Wochentaz und dort vor allem für die Genussseite zuständig. Schreibt Kolumnen, Rezensionen und Alltagsbeobachtungen im Feld zwischen Popkultur, Trends, Internet, Berlin, Sport, Essen und Tieren.

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