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Auf den Freiherrn folgt der Graf

CDU Nach dem Vorwurf des Plagiats gibt der Fraktionschef Florian Graf seinen Doktortitel zurück. Am Donnerstag entscheidet die Fraktion über seine Zukunft

Jetzt hat auch die Berliner CDU ihren Guttenberg: Am Freitag hat Florian Graf, Fraktionsvorsitzender im Abgeordnetenhaus, seinen Doktortitel zurückgegeben. Dem vorangegangen waren Plagiatsvorwürfe. Unklar ist, ob Graf der Aberkennung des Titels zuvorkommen oder die Veröffentlichung der Arbeit verhindern wollte. Darin geht es um interne Neufindungsprozesse der CDU nach ihrer Abwahl 2001. Am Donnerstag soll die Fraktion über seinen Verbleib im Amt entscheiden.

Graf, 38, hatte im April 2010 seine Dissertation im Fach Politikwissenschaften an der Uni Potsdam eingereicht und nach der Verteidigung im Dezember 2010 die Promotionsurkunde erhalten. Anders als üblich hatte er die Arbeit nicht veröffentlicht – stattdessen bat er um einen Sperrvermerk: Er wolle die Ergebnisse zunächst in Artikelform in einer Zeitschrift veröffentlichen. Die Arbeit trägt den Titel „Das innerparteiliche Bild von Oppositionsparteien nach dem abrupten Verlust langjähriger Regierungsverantwortung am Beispiel der Christlich Demokratischen Union (CDU) in der Hauptstadt Berlin während der 15. Wahlperiode (2001–2006)“. Das legt nahe, dass Informationen aus Grafs damaliger Tätigkeit als Büroleiter des Fraktionschefs eingeflossen sein könnten.

Die Sperrfrist lief zunächst bis September 2011. Graf veröffentlichte aber auch bis dahin keinen Artikel. Stattdessen übernahm er nach der Wahl den Fraktionsvorsitz und beantragte eine Verlängerung der Sperrfrist bis Juni 2012. Der entsprechende Antrag ging jedoch offenbar nur an den Doktorvater, den FDP-Politiker Jürgen Dittberner und die Bibliothek – nicht an den zuständigen Promotionsausschuss. Die Dekanin der Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Fakultät, Theresa Wobbe, ließ die Arbeit in der vergangenen Woche vom Promotionsausschuss prüfen. „Dabei ergab sich ein Plagiatsverdacht, zu dem Herr Graf um Stellung gebeten wurde“, heißt es in einer Erklärung der Universität. Zugleich hob der Ausschuss die Sperrfrist auf.

Bitte um Verzeihung

Graf äußerte sich nicht zu den Vorwürfen, sondern bat die Universität um Entzug des Doktortitels. Auch den Artikel, den er inzwischen bei einer Zeitschrift eingereicht habe, ziehe er zurück, erklärte er öffentlich. Bei der Arbeit daran sei ihm klar geworden, dass er „an einigen Stellen wissenschaftlich nicht fehlerfrei gearbeitet“ habe. „Ich bitte alle diejenigen, die ich enttäuscht habe, um Verzeihung.“

Der Promotionsausschuss der Uni Potsdam will am Mittwoch über Grafs Antrag entscheiden. Graf kündigte an, am Donnerstag bei einer Sondersitzung der CDU-Fraktion die Vertrauensfrage zu stellen. Dass ihm eine Mehrheit das Vertrauen verweigert, ist unwahrscheinlich. Mehrere Politiker von CDU und SPD sprachen Graf ihre Unterstützung aus. CDU-Landeschef Frank Henkel sagte, Grafs Entscheidung verdiene „großen Respekt“, für ihn sei die Diskussion erledigt. Ähnlich äußerte sich SPD-Fraktionschef Raed Saleh. Benedikt Lux, Parlamentarischer Geschäftsführer der Grünen, forderte eine „lückenlose Aufklärung der Vorwürfe“. Piraten-Fraktionschef Andreas Baum sagte, solche Vorfälle schadeten dem Wissenschaftsstandort.

JULIANE SCHUMACHER

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