„Die verlorenen Blumen der Alice Hart“: Aus der Sprachlosigkeit finden
In der Amazon-Serie umsorgt Sigourney Weaver Opfer häuslicher Gewalt auf einer australischen Farm. Sensibel erzählt mit facettenreichen Figuren.
Ein blondes Mädchen tapst im Sonnenuntergang durch eine Wiese mit Gräsern. Ihr Vater zeigt ihr, wie man mit Grashalm zwischen den Daumen pfeift. Doch keine fünf Minuten hält die idyllische Fassade. In der nächsten Szene fährt Alice Hart (Alycia Debnam-Carey) über den Arm ihrer Mutter, auf dem blauen Flecken erkennbar sind. Alice verliert als neunjährige beide Eltern bei einem Hausbrand und wächst bei ihrer Großmutter June (Sigourney Weaver) auf. Die Miniserie „The Lost Flowers of Alice Hart“, deutsch „Die verlorenen Blumen der Alice Hart“ ist eine feinfühlige Erzählung, die sich an die Grenzen des Zeigbaren wagt.
Basierend auf dem Roman von Holly Ringland, umfasst sie sieben Folgen, jeweils nach einer Blume benannt, die auf June’s Blumenfarm wächst. Die ist ein sicherer Hafen für Frauen, die ihre Vergangenheit verarbeiten. Man sieht, wie sie mit Verlust und Lügen umgehen und Kraft aus der Natur schöpfen. Eine Freundin von Alices Eltern fragt June: „Denken Sie wirklich, ein Zufluchtsort für traumatisierte Frauen ist der beste Ort für sie?“
Momente der Stille stehen neben Aufnahmen von Australiens Bergen, Seen und Feldern. Die Serie zeigt, wie schwer Sprechen sein kann, wenn Erlebnisse zu schmerzhaft sind. Die Charaktere sind facettenreich gezeichnet, insbesondere Weaver als schützende Großmutter, die für ihre Enkelin und die anderen Frauen sorgt.
Alice verliebt sich schließlich in einen Mann, der ihrem Vater ähnelt: liebevoll, aber auch gewalttätig. Auf dem Bildschirm wird nun die Entstehung ungesunder Beziehungen beleuchtet, in denen Liebe und Missbrauch miteinander verschmelzen. Wie kann man diesen Mustern entkommen, wenn sie die eigene Sozialisation geprägt haben? „Jeder Tag ist eine Chance, neu anzufangen“, sagt Twig (Leah Purcell), die Partnerin von June. Ihre Worte erinnern daran, dass Veränderung möglich ist. Die Serie vermittelt diese Message ohne Happy End, sondern mit ambivalentem Abschluss.
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