TV-Krimi „Wolfsjagd“: Pfeifen im Brandenburger Walde

Maria Simons millimetergenaues Spiel ist jede Guckminute wert. Im Krimispielfilm „Wolfsjagd“ ist sie als Wildhüterin Sara Jahnke unterwegs.

Filmstill

Wildhüterin Sara (Maria Simon) in „Wolfsjagd“ (Montage) Foto: Conny Klein/Ard

Ach, was ist es schön, Maria Simon wieder dabei zuzuschauen, wie sie in Brandenburg unterwegs ist. Schweigsam, durchdringender Blick, hart, wenn’s sein muss, bloß keine Faxen. Gut zweieinhalb Jahre ist es schon her, dass sie zum letzten Mal als Olga Lenski im „Polizeiruf“ in Frankfurt an der Oder ermittelte.

Wie gut Simon in diese stille, brüske Landschaft passt, zeigt sie jetzt wieder anderthalb Stunden lang im Krimispielfilm „Wolfsjagd“ als Sara Jahnke: Wildhüterin, Spezialität Wölfe. Mit beuligen Khakis, staubigen Stiefeln, geländegängigem Wagen und Gewehr in Reichweite. Drumherum Brandenburger Wald und Dorf.

Am besten wäre es nun, den Rest dieser Rezension weiter mit Simon-Szenen und Natur anzufüllen, bis man wieder genug Vorrat an ihrem millimetergenauen Spiel hat, bis es so wirkt als könne man die Würze der Bäume, des sandigen Bodens riechen. Aber nun ja. Stattdessen überfrachten Thomas André Szabó und Jakob Ziemnicki ihre Story mit allem, was nur denkbar scheint. Sie haken die komplette Liste an Erwartbarem ab. Mittendrin ein Mord an einer jungen Saisonarbeiterin aus Rumänien.

Sie haken die komplette Liste an Erwartbarem ab: mittendrin ein Mord an einer jungen Saisonarbeiterin aus Rumänien

Erstens: das Rückkehr-Motiv. Sara Jahnke ist nur zufällig wieder zuhause, weil ihre Mutter gestorben ist, eigentlich schon auf dem Sprung zum Flughafen. Und zwar – auch das gehört fast zwingend zu diesem Punkt – nach Kanada. Sie lebe „lieber in der Einsamkeit der Wälder Kanadas als unter Menschen“ heißt es im Presseheft. Aber dann hätte sie auch in Brandenburg bleiben können!, möchte man den beiden Drehbuchautoren zurufen. Wegen einer akuten Wolf-Sichtung im Dorf soll sie bleiben, das Tier töten. Und findet dabei im Waldsand eine Frauenleiche.

Sa., 20.15 Uhr, ARD

Sedimentschichten an Historie

Zweitens: das Eindringling-Motiv. Um den Mord aufzuklären, kommt ein junger Kommissar ins Dorf: Falk Laue (Jacob Matschenz), ein Name wie aus einem öffentlich-rechtlichen-Bausatz für Kommissarsnamen. Er kennt niemanden vor Ort, ahnt nichts von den Sedimentschichten an Historie, nichts von all den Beziehungsgeflechten. Und wird obendrein als liebevoller Vater inszeniert, der am Telefon dollen Quatsch mit seinen Kindern macht. Wieso er ausgerechnet die gastierende Wildhüterin zur Co-Ermittlerin macht – ein Rätsel.

Drittens: das Dysfunktionale-Familie-Schwierige-Mutter-Motiv. Jahnke hat eine Teenager-Tochter, sie wuchs bei den Großeltern auf, weil die Mutter, also Sara, früh abgehauen ist. Dass Sara nicht mal im Elternhaus übernachtet, sagt alles übers Familienverhältnis. Und als wäre das noch nicht genug, ist Saras Vater auch noch der Dorfpolizist (der großartige Jörg Schüttauf darf nur ein paar Mal durchs Bild laufen).

Viertens: das Verschwiegene-Vergangenheits-Motiv. Es gibt eine knappe Handvoll Dorftypen in Sara Jahnkes Alter – wann immer sie aufeinandertreffen, wird klar, da ist was passiert, früher. Und niemand spricht darüber.

Fünftens: die böse Fleischfabrik, die schlecht mit ihren Saisonkräften umgeht.

Sechstens: die sexuelle Ausbeutung. Von Vergewaltigung bis zu Zwangsprostitution ist alles dabei.

Siebtens: das aktuelle Geraune von der Rückkehr der Wölfe – und der dystopischen Angst, dass einer irgendwann Menschen anfällt. Wird am Schluss krampfhaft zur Metapher hingebogen, dass es nur so quietscht.

Eine gute Idee gibt’s dann doch: die Wildtierkamera am Baum, die zufällig auch die Tatort­umgebung überwacht. Der Rest: nur Pfeifen im Brandenburger Walde.

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