Techno-Museum in Frankfurt am Main: Geschichten zurechtrücken

Richtiger Schritt, richtiger Ort: Eine Ausstellung im MOMEM in Frankfurt am Main durchleuchtet die Techno-Verbindungen zwischen Detroit und Berlin.

Fotos von Produzentinnen aus Detroit. Links DJ Minx, rechts ein Bild des Vinylpresswerks Archer

Fotos von Produzentinnen aus Detroit. Links DJ Minx, rechts ein Bild des Vinylpresswerks Archer Foto: Art ist the Place

Wenn es eine Ausstellung über die Geburt von Techno unter dem Motto „From Detroit nach Berlin“ im Frankfurter Museum of Modern Electronic Music (MOMEM) gibt, kommen Fragen auf. Woher stammt Techno? Wem gehört Techno? Wer hat Techno erfunden? Wie spricht man Techno? Mit weichem ch oder hartem k? Je mehr k, desto härter Tekkkno? Kurator Arastu Salehi kommt in Göttingen zur Welt, hat für Banken gearbeitet und sich in Berliner Clubs unwohl gefühlt, „allein unter lauter Deutschen“.

Mit einem Kuratorenstipendium des Goethe-Instituts reist er 2018 nach Detroit, das ihn, Sohn iranischer Eltern, an Teheran erinnert, „lauter Schwarze“. Schwarze Technoveteranen wie Mike Banks von Underground Resistance empfangen Salehi mit offenen Armen in ihrer mythenumrankten Stadt, die in den Zehnerjahren komplexe wie widersprüchliche Veränderungen erlebt. Die Motor City, hin- und hergerissen zwischen Verelendung qua Deindustrialisierung und rasender Gentrifizierung, Aufwertung und Vertreibung gehen Hand in Hand.

Arastu Salehi fühlt sich wie in einem „Poverty Porn“, Ferien in anderer Leute Elend zwischen eingestürzten Altbauten und Urban Gardening. Er kommt in die Motor City als deutscher Techno-Fan, der als Person of Colour in Clubs an Türstehern gescheitert ist, um als Selfmade­kurator die hiesige Technorezeption einer Revision zu unterziehen. Um „eine alternative Perspektive auf das häufig eurozentristisch geprägte Narrativ der Entstehung und Geschichte des Techno-Genres“ geht es Salehi.

In diesem Narrativ wird Techno als „Sound der Wende“ auf Berlin nach 1989 fixiert. Als Kronzeuge des Austauschs zwischen Detroit und Berlin fungiert bei der Ausstellung Dimitri Hegemann per Video. „Detroit hat Berlin nach dem Mauerfall Techno geschenkt. Und wir geben Detroit Strukturen zurück.“ Mit diesem Satz warb Tresor-Gründer Hegemann 2016 für ein geplantes Kulturzentrum. Mit Techno wollte er „Detroit retten“.

„The Birth of Techno. From Detroit nach Berlin“. MOMEM, Frankfurt am Main. Bis 31. Dezember

Was aus dieser Mission geworden ist? Beim Kuratorengespräch im MOMEM weiß niemand Genaueres. Alles nicht so einfach mit dem Kulturtransfer, auch nicht im MOMEM in der Stadt der Europäischen Zentralbank. Als das kleine Museum 2022 an der Hauptwache nach langem Tauziehen eröffnet, tut es das inna Frankfurt Style: Ohne falsche Bescheidenheit, ohne Understatement.

Von Mainhattan nach Manhattan

Der Name MOMEM winkt mit dem Zaunpfahl von Mainhattan nach Manhattan, zum MoMA. Zudem klingt das OMEN an, der Technoclub-Mythos gleich um die Ecke, in dem DJ Sven Väth groß wurde, 1988 bis 1998. Konsequenterweise widmet das ­MOMEM dem Träger der Frankfurter Goethe-Plakette seine erste Einzelausstellung, hier ist „der Sven“ Techno-Gott, wird gefeiert „mitten in Frankfurt, wo Techno seinen Ursprung hat“.

So steht’s in der Einladung des Frankfurter Magistrats, die prompt um die Welt geht – als Shitstorm. „Frankfurt is the city where #techno was born?“ #whitewashing #detroit #motorcity #technoisblack #juan­atkins #DerrickMay #kevinsaunderson. Unter diesen Hashtags bricht Empörung los über dreiste Geschichtsfälschung im Namen von Stadtmarketing, die Detroit und die Blackness von Techno ausradiert.

Auf die genderpolitische Ignoranz des ­MOMEM verweist zudem ein offener Brief des feministischen Netzwerks female:pressure. Vor diesem Hintergrund ist die aktuelle Ausstellung eine Kurskorrektur in eigener Sache, wie Museumsleiter Alex Azary bestätigt.

Das Schwarze Kontinuum der Techno City Detroit

Mit Fotos, Zeichnungen, Plattencovers und Videos betreibt Kurator Salehi ein Reclaiming of History und betont das Schwarze Kontinuum der Techno City Detroit: Ein Motownregal im Plattenladen, ein Album von Funkadelic, Rückgriffe auf Blues und Jazz in „one of the largest Black communities in the United ­States“ in instruktiven Begleittexten.

Was sagt uns das heute? „An Ford interessieren mich nur die Roboter“, verkündet Juan Atkins in den Achtzigern. Mit Derrick May und Kevin Saunderson prägt der Techno-Pionier den zweiten „Sound of the City“ von Detroit. Aber: Ist mit Fordismus nicht auch das pop­­romantische Konstrukt vom „Sound of the City“ gestorben? Wenn das Laptop gleichermaßen der Produktion wie der Reproduktion dient, dem Ernähren wie dem Begehren, ist dann nicht egal, wo diese Maschinen stehen? Kann „Detroit“-Techno nicht auch in Detmold, Ditzingen, Dortmund entstehen?

Bevor solche Fragen beantwortet werden, muss erst mal die Geschichte zurechtgerückt werden. Dafür ist die ­Ausstellung im MOMEM ein richtiger Schritt am richtigen Ort.

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