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„Fairer Handel ist keine Einbahnstraße“

Beim Thema Fairer Handel liegt der Fokus auf Produkten, die aus dem Globalen Süden kommen. Doch was ist mit Akteuren hier im Norden, den Milchbauern etwa? Faire Handelspraktiken seien auch hier nötig, sagt Ann-Kristin Schmidt, Fachreferentin für Fairen Handel beim internationalen Bauernverband Naturland

taz: Frau Schmidt, Sie wollen die Perspektiven des Fairen Handels erweitern – wohin?

Ann-Kristin Schmidt: Bei fair gehandelten Produkten denken viele erst mal an Bananen, Kaffee und Kakao – alles Rohstoffe aus dem sogenannten Globalen Süden. Heißt das im Umkehrschluss, dass Handel im Globalen Norden immer gut und fair läuft und daher nicht reglementiert werden muss? Ganz und gar nicht! Deshalb haben wir mit unserem Siegel „Naturland Fair“ einen globalen Ansatz gewählt. Denn Fairer Handel ist keine Einbahnstraße.

Wie soll diese Straße im Ganzen aussehen?

Ein im Globalen Süden produziertes Produkt legt bis zu dessen Konsum häufig einen langen Weg zurück und ist nur dann wirklich fair, wenn die Zusammenarbeit zwischen allen Akteuren entlang der Wertschöpfungskette fair verläuft. Das heißt unter anderem: faire Preise für alle Beteiligten der Lieferkette, langfristige und verlässliche Handelsbeziehungen untereinander, eine gemeinschaftliche Qualitätssicherung, die Einhaltung von Menschen- und Arbeitsrechten und ein gezielter Einsatz für ein gerechteres Wirtschaften.

Wo sehen Sie Verbesserungsbedarf im Norden?

Kürzere Lieferketten wie bei in Deutschland produzierter Milch garantieren aus unserer Perspektive noch keine fairen Produktionsbedingungen. Dies verdeutlicht der Protest der Milchbauern und -bäuerinnen wegen niedriger Milchpreise in den letzten Jahren. Faire Handelspraktiken sind also auch im sogenannten Globalen Norden dringend notwendig, damit es den an der Lieferkette beteiligten Menschen, Tieren und der Umwelt gut geht.

Wir sprechen hier aber nicht von getrennten Welten?

Naturland

Ann-Kristin Schmidt

widmet sich bei Naturland den Themen fairer Handel und soziale Landwirtschaft. Der Verband fördert weltweit ökologischen Landbau. Er hat 140.000 Mitglieder, davon 4.500 in Deutschland.

Bei sogenannten Mischprodukten, wie Vollmilchschokolade oder Gebäck laufen dann sogar mehrere Ketten zusammen: So kann der Kakao oder die Vanille fair im Süden produziert werden und auf faire Milch oder Hafer aus dem Norden treffen. Klar ist, dass die Lebensbedingungen von Kleinbauern und -bäuerinnen im Globalen Süden sich von denen der bäuerlichen Betriebe hierzulande unterscheiden. Darauf gehen wir mit unserem Siegel bei den Fairhandelsrichtlinien und Kriterien, die die Handelswege bewerten, ein. Nichtsdestotrotz ist Fairer Handel ein Anspruch, den wir an alle stellen sollten, und von dem alle profitieren sollten. Fairer Handel heißt ein faires Miteinander, das schließt alle ein.

Interview: Lars Klaaßen

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