Meduza-Auswahl 31. August – 6. September: „Diese Kultur der Straffreiheit“

Oleksandra Matwijtschuk, Gründerin des Menschenrechtszentrums CCL, spricht mit dem Exilmedium über die Dokumentation von Folter und Russlands weltweite Kriegsverbrechen.

Oleksandra Matwijtschuk in Oslo bei der Konferenz „Human Rights Heroes“ Foto: NTB via reuters

Das russisch-und englischsprachige Portal Meduza zählt zu den wichtigsten unabhängigen russischen Medien. Im Januar 2023 wurde Meduza in Russland komplett verboten. Doch Meduza erhebt weiterhin seine Stimme gegen den Krieg – aus dem Exil. Die taz präsentiert seit 1. März unter taz.de/meduzaimmer mittwochs in einer wöchentlichen Auswahl, worüber Meduza aktuell berichtet. Das Projekt wird von der taz Panter Stiftunggefördert.

In der Woche vom 31. August bis 6. September 2023 berichtete Meduza unter anderem über folgende Themen:

Wie das CCL Menschenrechtsverletzungen dokumentiert

Im Interview mit Meduza (englischer Text) erzählt die Menschenrechtsanwältin und Gründerin des ukrainischen Center for Civil Liberties (CCL), Oleksandra Matwijtschuk, eine von dreien, die sich den Friedensnobelpreis 2022 teilten, wie ihre Organisation Kriegsverbrechen, Menschenrechtsverletzungen und Machtmissbrauch – vor allem in der Ukraine, aber oft auch außerhalb des Landes – dokumentiert. Die Datenbank des CCL ist seit dem 24. Februar 2022, als Russlands Militär die Ukraine überfiel, deutlich gewachsen.

2014 war CCL die erste Menschenrechtsorganisation, die mobile Gruppen auf die Halbinsel Krim und in den ostukrainischen Donbass entsandte. „Damals war uns nicht klar, dass dies der Beginn eines Krieges war“, sagt Matwijtschuk. Die Menschenrechtsaktivistin plädiert für einen Paradigmenwechsel bei der Verurteilung von Kriegsverbrechen: „Die Staaten des Römischen Statuts haben Aggression zu eng definiert.“ Das Römische Statut ist die Arbeitsgrundlage des Internationalen Strafgerichtshofs. Die russische Armee habe auch in Tschetschenien, Georgien, Mali, Syrien und der Zentralafrikanischen Republik Kriegsverbrechen begangen – „ohne jemals wirklich bestraft zu werden. Diese Kultur der Straffreiheit lässt sie glauben, dass sie den Menschen alles antun können.“

Dmitri Muratow – „ausländischer Agent“

Der Chefredakteur der unabhängigen russischen Zeitung Nowaja Gaseta, Dmitri Muratow, wurde am 1. September als „ausländischer Agent“ eingestuft. Diese Entscheidung des russischen Justizministeriums will er nun anfechten. Für die Dauer des Verfahrens hat der Friedensnobelpreisträger angekündigt, sich aus seiner Position als Chefredakteur der Nowaja Gaseta zurückzuziehen.

Darüber berichtet Meduza (russischer Text) und fasst die Position der Redaktion der Nowaja Gaseta zusammen: „Muratow wurde als Einzelperson zum 'ausländischen Agenten’ erklärt, die Redaktion der Nowaja Gaseta arbeitet weiter wie bisher. Aber bei der geringsten Drohung werden wir das Geschäft einstellen.“ Im April besuchte Muratow die taz-Kantine auf Einladung der taz Panter Stiftung.

Ein junger Russe im Kampf gegen sein Heimatland

Wie ein 25-jähriger Russe, der in Syrien aufwuchs, vor der Gewalt in seiner einen Heimat floh, in seiner anderen Heimat Russland politisch verfolgt wurde, in Estland Asyl erhielt und schließlich auf der Seite der Ukraine in den Krieg zog – darüber berichtet Meduza in diesem Porträt (englischer Text).

Dani Akel Tammam heißt der junge Mann, der in Russland zunächst der Armee beitrat – um sich dann zum politischen Gegenteil zu bekennen: In Moskau wurde er immer wieder festgenommen und geschlagen, weil er an Antikriegsdemonstrationen teilnahm. Aus diesem Grund verwies ihn auch seine Universität des Geländes. Als sich die Situation immer weiter zuspitzte, machte er sich auf zu dem Zaun, der Estland von Russland trennt, kletterte rüber und erhielt in dem EU-Staat schließlich Asyl. Geflohen aus Russland sei er nicht, betont er. „Ich habe das Land vorübergehend verlassen – bis wir uns mit dieser Regierung befasst haben. Ich werde auf jeden Fall wiederkommen.“

Warum Russland in den 90ern an sich selbst scheiterte

Meduza hatte vor kurzem über die Kritik des inhaftierten russischen Oppositionspolitikers Alexei Nawalny an der postsowjetischen Ära Russlands berichtet. Diese Woche veröffentlichte das Exilmedium eine Antwort auf Nawalnys Verurteilungen (englischer Text).

Darin nimmt Timothy Frye, Professor für postsowjetische Außenpolitik an der US-amerikanischen Columbia University, das Land gewissermaßen in Schutz: „Für die postkommunistischen Übergänge hatten wir keinen historischen Präzedenzfall“, erklärt er. Die Länder hätten nicht nur eine marktgesteuerte Wirtschaft und wettbewerbsfähigere politische Systeme aufbauen müssen, sondern auch große Schwierigkeiten mit der Steuererhebung, den Justizsystemen und den politischen Parteien gehabt. „Und das alles gleichzeitig“, so Frye – eine Mammutaufgabe. Ein großes Problem des Russlands der 90er: Die Polarisierung, die damals stärker wurde, verhinderte, „dass sich die Linke und die Rechte auf ein Regelwerk einigen konnten“.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.