Audioguide auf deutsch-polnischen Spuren: Gibt's nicht bei Wikipedia
Ein Spaziergang quer durch die letzten 200 Jahre deutsch-polnischen Lebens? Die Initiator*innen der Berlinski-Tour machen genau das möglich.
175 Jahre später und knapp Kilometer nordöstlich: In Pankow stellt die Deutsch-Polnische Gesellschaft Berlin einen neuen Audioguide vor. Neun Monate haben Dorota Danielewicz, Ewa Wanat und ihre ehrenamtlichen Mitinitiaor*innen für die Entwicklung der Berlinski-Touren gebraucht. Es sind Spazierstrecken durch die Berliner Innenstadt, die an ausgewählten Orten mittels kurzer Audiobeiträge zu einem Ausflug in polnisch-deutsches Zusammenleben einladen. Auf der Website berlinski-tour.de lässt sich zwischen drei verschiedenen Strecken wählen.
Eine davon führt zu Bolesław Prus. Wir schreiben das Jahr 1895. Prus ist einer der bekanntesten polnischen Schriftsteller und gerade zu Besuch in Berlin. Mit Begeisterung beschreibt er den einst hochmodernen Bahnhof Friedrichstraße: „Plötzlich – mein Gott – wir fahren über eine seltsame Brücke unter der –… Menschen gehen und Kutschen fahren!“
Ein weiterer Sprung durch die Jahre, diesmal in das Berlin unter Adolf Hitler. Henryk Adamczewski und Ludomiła Szuwalska sind zwei der vielen Millionen meist polnischen und sowjetischen Zwangsarbeiter*innen in Deutschland. Ungezügelter Hass schlägt den Pol*innen entgegen, die bald darauf ersten Widerstand gegen ihre Peiniger leisten. So bringt ein Mitgefangener Adamczewski bei, wie er die Gewinde deutscher Sprengbomben anschneiden kann, um sie unbrauchbar zu machen.
Es sind Tagebucheinträge, Zeitungsartikel oder Reiseberichte, die einen tiefen Einblick in das Leben von Pol*innen in Berlin gewähren. Es geht um Reisen, Kriege und ganz normalen Alltag, erlebt von Studenten, Zwangsarbeiterinnen, Spionen und Nobelpreisträgerinnen aus zweihundert Jahren. Eine Vielzahl an Geschichten über die deutsch-polnische Geschichte, die sich nicht nur in den Restaurants am Brandenburger Tor, am Bahnhof Friedrichstraße und an den Gedenkstätten der Nazi-Verbrechen verstecken. Dorota Danielewicz beschreibt es so: „Es geht um das, was wir auf Wikipedia nicht finden.“
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