Mangelnde Chancengleichheit an Schulen: Wer? Wie? Was?

Dass geschlechtergerechte Sprache in Sachsen als Fehler markiert wird, verstärkt die strukturelle Diskriminierung an Schulen nur noch mehr.

Verschiedene Handpuppen der Sesamstraße

Kinder haben einen Radar dafür, wenn ihnen oder jemandem vermittelt wird, nicht dazuzugehören Foto: Imago

Seit Sachsens Kultusministerium noch einmal per Erlass zementiert hat, dass gendergerechte Sprache in Schularbeiten als Fehler angestrichen wird, und somit Schüler_innen, die auf diese Schreibweise wert legen, schlechtere Noten in Kauf nehmen müssen, geht mir die Sesamstraße mit ihrem Dreiklang nicht mehr aus dem Kopf: „Der. Die. Das. / Wer? Wie? Was?“ Dann die tausend tollen Sachen und der pädagogisch wertvolle Satz: „Wer nicht fragt, bleibt dumm!“

Ich glaube nicht, dass Kinder dumm sind. Nicht bevor sie zur Schule gehen, nicht, wenn sie so viel fernsehgucken, wie sie können, und nicht, wenn sie sich überlegen, ob sie es sich leisten können, ihre Noten zu verkacken.

Kinder haben einen empathischen Radar dafür, wenn sie oder andere ungerecht behandelt werden, wenn jemandem das Gefühl vermittelt wird, nicht dazuzugehören. Dafür, dass eine Regel nicht bedeutet, dass etwas gerecht ist. Und auch dafür, dass es Gesetze gab und gibt, die noch lange nicht rechtens sein müssen und im Zweifelsfall gegen Menschenrechte verstoßen.

Im besten Fall kann Schule diese emotionale Intelligenz, die uns innewohnt, unterstützen und Werkzeuge vermitteln, um solche Probleme zu erkennen und die Welt neu zu gestalten. Zum Beispiel mit neuen Schreibweisen.

Entfaltungschancen werden verhindert

Im schlimmsten Fall, und da ist das Wort „dumm“ äußerst relevant, ist das Schulsystem selbst an Abwertung beteiligt. Klassenbackground und Migrationsgeschichte waren die Top 2, nach denen bei uns der Empfehlungszeiger auf Haupt-, Realschule und Gymnasium gerichtet wurde. Noch so ein Dreiklang.

Später auf dem Gymnasium ging das so weiter, eine Lehrerin erzählte einmal stolz, sie habe dafür gesorgt, dass wir durch die Schüler_innen, die ein Jahr wiederholen oder auf die Realschule abgehen mussten, nicht „gestört“ werden. Unser Radar leuchtete sofort so was von Rot und wir haben uns ordentlich gefetzt.

Es geht nicht darum, die Idee zu wiederholen, dass Haupt- und Realschulen schlecht sind. Sie werden von Schüler_innen besucht, die nur das Beste verdient haben, und sind voller Lehrkräfte, die mit Entschiedenheit für ihre Klassen kämpfen. Es geht darum, welche Abwertung mit der Hierarchisierung der weiterführenden Schulen einhergeht, wie sie Biografien prägt und mit dem bewussten Versuch einhergeht, Entfaltungschancen zu verhindern.

Jungs mit Migrationsgeschichte werden problematisiert

Selbst in Kitas ist die selektierende Vorprogrammierung im Sprechen über Kinder in vollem Gange. Insbesondere Jungen mit Migrationsgeschichte, die Leitungsqualitäten zeigen, werden sofort problematisiert. „Du musst nicht immer Erster sein“, heißt es dann. Schon ein harter Spruch angesichts der Tatsache, dass Benachteiligung entlang von Rassismus in Monitorings immer wieder sichtbar wird.

Zur „Integrität“ von Grammatik demnächst mehr. Über die „Integrität“, die uns als Gesellschaft mit dem Einsortieren von Kindern via Noten und einem gegliederten Schulsystem verloren geht, sprechen wir in jedem Fall viel zu wenig.

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Redakteurin für Kunst in Berlin im taz.Plan. Alle 14 Tage Kolumne Subtext für taz2: Gesellschaft & Medien. Studierte Gender Studies und Europäische Ethnologie in Berlin und den USA. 2020 Promotion "Chrononauts in Chromotopia" zum Lusterleben in der abstrakten Malerei. Themen: zeitgenössische Kunst, Genderqueerness, Rassismus, Soziale Bewegungen.

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