Wohnungslosigkeit in Berlin: Ein Haus für die Würde der Trinker
In Kreuzberg wird ein besonderes Wohnheim für Obdachlose 25 Jahre alt: in der Nostitzstraße wird Alkoholsucht akzeptiert. Das klappt erstaunlich gut.
Seit 25 Jahren gibt es das Wohnheim in der Nostitzstraße, an diesem Mittwoch feiert der Träger Neue Chance das Jubiläum mit Gästen aus Politik, Sozialwirtschaft und Verwaltung. Im Veranstaltungssaal des 2009 sanierten Hauses werden Reden und Grußworte gehalten und jede*r lobt die Einzigartigkeit der Einrichtung: dass sie eine „suchtakzeptierende ASOG-Unterkunft mit Pflegebereich“ ist, und damit „leider kein Standard in Berlin“, wie es Jana James von der Senatsverwaltung für Gesundheit eher bürokratisch ausdrückt.
Elena Scheller, Sozialarbeiterin im Haus, sagt es plastischer: „Wir sind ein nasses Haus.“ Heißt: Die 41 Männer, die hier leben, haben alle ein Alkoholproblem – und werden damit akzeptiert. Anders als in anderen Wohnheimen, wo man von Bewohnern verlangt, dass sie ihre Sucht bekämpfen. „Wir achten schon darauf, dass sie ihr Level halten und nicht immer mehr trinken“, erklärt Einrichtungsleiter Ulrich Davids. Aber alles laufe auf Augenhöhe und Vertrauensbasis. „Wir geben Hilfestellung in allen Lebenslagen, kümmern uns um Arztbesuche, Ämterdinge, alles was die Männer brauchen.“
Der umfassende Ansatz gehe auf den Gründer zurück, erinnert Davids in seiner Rede. Pfarrer Joachim Ritzkowsky von der Gemeinde Heilig-Kreuz-Passion habe das Heim 1998 als Hilfe für jene Männer gegründet, die auf dem Mittelstreifen der nahen Gneisenaustraße lebten. „Er wollte ihnen ihre Menschenwürde zurückgeben.“ Dies sei bis heute der „diakonische Auftrag“ des Hauses: „Wir kümmern uns, dass es ihnen gut geht in ihrer letzten Lebensphase.“ Dazu gehöre auch die Kooperation mit einem Pflegedienst, der die Männer gesundheitlich betreut, wenn sie es brauchen.
Bleiben bis zum Schluss
Michael Zimmermann beteuert, ihm gehe es hier wirklich gut. Der 62-Jährige sitzt im Aufenthaltsraum, neben sich eine Tasse Kaffee und eine Bierflasche. Die Festreden nebenan interessieren ihn nicht, lieber erzählt er. Seit zwei Jahren wohne er hier, vorher war er fünfzehn Jahre auf der Straße. „Ich möchte gar nicht in einer eigenen Wohnung leben. Ich will mich nicht um alles kümmern müssen, könnte das auch gar nicht.“ Hier hat er Gesellschaft, wenn er will – und seine Ruhe, wenn er sie braucht. „Wenn es geht, bleibe ich bis zum Schluss“, sagt er mit leiser Stimme.
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