Arbeitskampf bei Lieferando: Unbefristeter Streik droht
Mit einer Demo versuchen Lieferando-Mitarbeiter:innen das Management zu Tarifverhandlungen zu bewegen. Doch das blockt bislang ab.
BERLIN taz | Der Arbeitskampf bei der Lieferfirma Lieferando spitzt sich weiter zu. Die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG), die Fahrer:innen des Unternehmens vertritt, kündigte für Donnerstag einen weiteren Warnstreik mit einer Demonstration vor dem Lieferando-Hauptquartier in der Cuvrystraße in Kreuzberg an. „Es ist die letzte Möglichkeit für den Arbeitgeber, unbefristete Streiks abzuwenden“, sagt Gewerkschafter Mark Baumeister der taz.
Seit Februar fordert die NGG Lieferando dazu auf, mit ihr über einen Tarifvertrag für die Fahrer:innen zu verhandeln. Doch bislang blockte das Unternehmen jegliche Angebote ab. Bei der Aktion am Donnerstag handelt es sich um die fünfte Arbeitsniederlegung in diesem Jahr.
Die NGG fordert unter anderem einen Stundenlohn von 15 Euro sowie Zuschläge. Derzeit erhalten die Fahrer:innen den Mindestlohn von 12 Euro, plus Boni für das erreichen einer bestimmten Zahl von Lieferungen.
Für die Demo mobilisiert die Gewerkschaft bundesweit. Baumeister rechnet mit über hundert Teilnehmer:innen, darunter nicht nur Fahrer:innen. In anderen Städten hätten auch Restaurantbesitzer:innen mitgemacht, die unter den hohen Provisionen leiden, sagt Baumeister. Der Gewerkschaftler kritisiert, dass es in anderen Ländern, in denen der Mutterkonzern Just Eat Takeaway aktiv ist, bereits Tarifverträge gebe. Ein Sprecher des Unternehmens kommentierte, dass die Fahrer:innen bereits vergleichbar viel wie Lieferfahrer:innen der Systemgastronomie nach Tarif verdienen.
Konkurrenz in Schieflage
Dabei steht das Unternehmen im Vergleich zu der Lieferkonkurrenz wirtschaftlich verhältnismäßig gut dar. Bei den Online-Supermärkten Getir und Gorillas, erst im Dezember von Getir übernommen, scheint es deutlich größere Probleme zu geben. Das legt zumindest ein am Sonntag auf Twitter veröffentlichter interner Nachrichtenverlauf zwischen einem Filialbetreiber und dessen Angestellten nahe.
Dort kündigt der Filialbetreiber an, dass die Fahrer:innen bis auf weiteres nicht die vertraglich vereinbarten Schichten zugeteilt und bezahlt bekommen. „Wir haben nicht einmal die Hälfte unserer normalen Bestellungen bekommen“, heißt es in der Nachricht, „es geht jedem Store aktuell in Deutschland so.“
Auf taz-Anfrage wollte ein Sprecher von Getir die Nachricht nicht kommentieren. Ein Mitarbeiter der Filiale, der anonym bleiben möchte, bestätigt gegenüber der taz, dass es schon seit Februar Unregelmäßigkeiten mit den Lohnzahlungen gebe und immer wieder deutlich weniger Lohn gezahlt werde als vertraglich vereinbart. Gleichzeitig werde den Fahrer:innen nahegelegt, zu kündigen oder sich einen weiteren Nebenjob zu suchen, berichtet der Fahrer. Er vermutet, dass die Filialleitung möglichst viele Mitarbeiter:innen dazu drängen möchte, selbst zu kündigen, um Abfindungen zu vermeiden.
Gegen Lieferdienste wie Lieferando, Wolt und Getir kommt es immer wieder zu Klagen wegen Lohnzurückhaltung und Arbeitsrechtsverletzungen.
Leser*innenkommentare
Land of plenty
Nun der Streik droht nicht, sondern alles andere, was den Arbeiter/innen widerfährt droht so lange, bis sie es erfolgreich bekämpft haben.
Budzylein
@Land of plenty So ist es. Weswegen eine Zeitung mit linkem Anspruch in der Artikelüberschrift meint, dass der Streik "droht", erschließt sich nicht. Es ist doch eine sehr erfreuliche Nachricht, dass sich die Lieferando-Beschäftigten gewerkschaftlich organisieren und für höhere Löhne kämpfen. Jede Abschaffung von Niedriglohnbereichen ist ein Schritt in Richtung einer Welt, in der es Wohlstand für alle gibt.