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Jüdisches Leben in NiedersachsenDialog und Stärke

Ein Festival und ein neues Web-Angebot erzählen von der langen jüdische Geschichte und aktueller jüdischer Kultur in Niedersachsen.

Besuch vom Bundespräsidenten: Rabbinerordination 2022 in der Synagoge der Jüdischen Gemeinde Hannover Foto: dpa | Michael Matthey

Braunschweig taz | Wo Niedersachsen besonders typisch erscheint, war es historisch auch stets jüdisch. Selbst wenn Jüdinnen und Juden vielleicht nicht schon seit 1.700 Jahren ansässig sind, wie es 2021 die Festivitäten für andere Landstriche Deutschlands reklamierten: Spuren weisen zumindest zurück bis ins 10. Jahrhundert.

So soll etwa im Harzvorraum die frühe Kunst der Salzgewinnung und des Salinenwesens in jüdischen Händen gelegen haben. Oder, neuzeitlicher: Selbstverständlich unterhielt die Ferieninsel Norderney bis in die 1930er-Jahre hinein eine Synagoge, finanziert durch seine großbürgerlichen, vornehmlich hanseatisch jüdischen Badegäste.

Auf diese dann doch recht lange und vielfach symbiotische Geschichte verwies in der vergangenen Woche der Historiker Jörg Munzel: Da stellte er zusammen mit der Judaistin und Geschichtswissenschaftlerin Rebekka Denz in der Jüdischen Gemeinde Hannover das neue Internetportal „Jüdisches Niedersachsen online“ vor.

Die Website www.juedisches-niedersachsen.de ist ein Projekt des 2016 gegründeten Israel Jacobson Netzwerks, das Städte und Landkreise sowie Institutionen der Wissenschaft, Forschung und Kultur wie auch Privatpersonen aus dem Südosten Niedersachsens zusammenschließt – um die Bedeutung dieser Region als Wiege eines modernen Judentums im öffentlichen Bewusstsein zu verankern.

Das Festival

Jüdische Kulturtage zwischen Harz und Heide: 14. 8.–22. 9., Programm unter: ij-n.de

Namensgeber Israel Jacobson (1768–1828), Braunschweiger Bankier und Rabbiner, richtete 1801 in Seesen eine Freischule für jüdische wie christliche Schüler ein. Die örtliche Synagoge, der Seesener Jacobstempel, wurde durch seine landessprachlichen Predigten mit Orgelmusik weltweiter Impulsgeber eines reformierten Judentums.

Dieser bundesweit erste Onlineauftritt seiner Art ist als offenes System angelegt, eine visualisierte Datenbank für ganz Niedersachsen, und deshalb alles andere als vollständig. Schwerpunkte sind Kulturtourismus, Bildung und Wissenschaft. Wesentlich ist der Button „Mitmachen“ unter jedem Kapitel: Inhalte sollen sich auch erweitern, aber vor allem soll das interaktive Moment wohl etwaige Berührungsängste gar nicht erst aufkommen lassen.

Die niedersächsischen In­ter­es­sens­ver­tre­te­r­:in­nen jüdischen Glaubens und seiner Kultur gehen damit in die Offensive: Mit Dialog und zivilgesellschaftlicher Stärke gegen ein „alarmierendes Gedankengut“, wie es der Beauftragte der Bundesregierung für jüdisches Leben und den Kampf gegen Antisemitismus, Felix Klein, in der Hannoverschen Auftaktveranstaltung formulierte.

Gleichwohl musste auch die dortige Jüdische Gemeinde handfest nachrüsten: Schusssichere Glaswände sichern mittlerweile den Zugang zu Synagoge und Versammlungsstätte, auf Polizeipräsenz soll bis auf Weiteres aber verzichtet werden.

Wer jüdische Kultur und jüdisches Leben lieber anlog erleben möchte: Die am 14. August beginnenden 4. „Jüdischen Kulturtage zwischen Harz und Heide“ – ebenfalls eine Initiative des Israel Jacobson Netzwerks und dieses Jahr von der Stadt Peine ausgetragen – bieten unter dem Titel „Jung und jüdisch“ mehr als 60 Veranstaltungen (auch im benachbarten Sachsen-Anhalt). Gewidmet ist das Programm dem gebürtigen Peiner Sally Perel (1925–2023), dessen abenteuerliche Biografie als „Hitlerjunge Salomon“ verfilmt wurde. Bis zum Lebensende setzte er sich von Israel aus für die Versöhnung ein – und gegen die salonfähig werdende neue Judenfeindlichkeit.

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