: Wer ist Koch und wer der Kellner?
SAARLAND Heiko Maas (SPD) könnte Ministerpräsident werden – Schwarz-Gelb ist abgewählt. Er ist Jurist und hält sich an die Fakten – politische Schaumschlägerei liegt ihm nicht
VON STEFAN REINECKE
„Wenn ich Aggressionen abbauen will, mache ich Sport“, sagt Heiko Maas mit ziemlich unbewegter Mimik. Es ist ein typischer Satz für ihn. Er bedeutet: Ich bin keiner, der dauernd mit den Ellenbogen arbeitet. Andere, wie Lafontaine und Seehofer, wie Steinbrück und Westerwelle, mögen den Aggressionsmodus brauchen, um auf Betriebstemperatur zu kommen. Maas geht lieber joggen. Oder er macht Triathlon, eine Sportart, die viel Härte erfordert. Härte gegen sich selbst.
Keiner hat so energisch und ernsthaft Wahlkampf gemacht wie er. Die SPD hat eine ganz auf ihn zugeschnittene Kampagne entwickelt, in der Maas mit Dreitagebart und offenem Hemd als „der neue Mann“ präsentiert wurde. Er sollte als frisch, Peter Müller als verbraucht gelten. Kampagne und Wahlkampf waren ziemlich perfekt inszeniert. Maas sollte als netter, sachkundiger Politiker erscheinen, der die Nachfrage nach professioneller Politik ohne Schaumschlägerei befriedigt. Das Publikum, so die Einschätzung des Maas-Teams, hat von persönlichen Attacken und Imponiergehabe genug. Es war durchaus verwegen, Maas als „neuen Mann“ zu inszenieren. Er mag zwar jünger als 42 Jahre wirken – doch seit 15 Jahren ist er fester Bestandteil der politischen Klasse im Saarland: Seit 1994 ist er Landtagsabgeordneter, 1998 wurde er Staatssekretär, 1999 für kurze Zeit Minister, seit 2004 ist er Oppositionsführer. Es war, bis 2004, ein leichter Aufstieg. Er wurde von Oskar Lafontaine und Reinhard Klimmt protegiert. Das erste fundamentale Problem, das er in seiner Karriere zu bewältigen hatte, war die Abgrenzung von Lafontaine, der 2004 zur Linkspartei ging.
Maas trägt oft Jeans und ein weißes Hemd. Er ist unauffällig und angenehm. Und ein eher distanzierter Mensch. Das ist gerade im Saarland, das stark von Vereins- und Festkultur geprägt wird, ein Risiko. Eigentlich kommen hier Kumpeltypen wie Peter Müller, der sich als skatspielender Biertrinker inszeniert, besser an. Maas ist ein durchaus typischer Vertreter der Generation 40 Plus in der SPD. Er biedert sich nicht an, das Populistische ist ihm fremd. Er ist Jurist und hält sich an die Fakten. Wenn die Konkurrenz ihn angreift, neigt er eher zum Rückzug.
In der Bundes-SPD ist er ein pragmatischer Linker, Schröders Agenda 2010 hat er bekämpft. Bei der letzten Wahl 2004 hatte er in der Tat keine Chance: Die im Saarland eher linke SPD-Basis war damals wegen der Agenda-Reformen deprimiert, dann ließ ihn auch noch Lafontaine kurz vor der Wahl im Regen stehen. Auch diesmal war die Bundes-SPD ein Malus. In den Wahlkampf zog Maas mit vielen guten Gründen gegen die Schuldenbremse, die die Länder finanziell stranguliert. Doch sein Versuch, Müller dafür verantwortlich zu machen, war zwiespältig. Denn das Copyright für die Schuldenbremse beanspruchen Maas’ Genossen Steinbrück und Steinmeier für sich.
2004 war nicht die Niederlage von Maas; gegen den Bundestrend war damals kein Kraut gewachsen. 2009 ist sein Sieg. Jedenfalls hat er jetzt die Chance, mit Linkspartei und Grünen die Regierung zu bilden. Dafür muss er Kompromisse finden und den hitzigen Konflikt zwischen Linkspartei und Grünen abkühlen. Diese Rolle des Moderators dürfte ihm leichter fallen als die des Oppositionsführers.
THÜRINGEN Bodo Ramelow (Linkspartei) ist der stärkste Herausforderer von CDU-Ministerpräsident Dieter Althaus. Er ist ein Ostler aus dem Westen mit einem Hang zum Lautstarken
VON ANJA MAIER
Dass die Thüringer Landtagswahl gut würde für Bodo Ramelow ausgehen, war bereits klar. Dass der Spitzenkandidat der Linkspartei nun aber auf 26 Prozent kommt und das sehr gute Ergebnis der letzten Wahl zumindest gehalten hat, dürfte ihm Genugtuung sein.
Der 53 Jahre alte Ramelow ist der stärkste Herausforderer des amtierenden Ministerpräsidenten Dieter Althaus (CDU). Der, so viel ist klar, muss sich einen oder mehrere Koalitionspartner suchen, wenn er sein Büro in der Erfurter Staatskanzlei behalten will. Die FDP allein reicht nicht.
Dass die SPD mit ihren knapp 19 Prozent das sein sein wird, ist eher unwahrscheinlich. Die Zeichen stehen in Thüringen auf Wechsel, und Spitzenkandidat Christoph Matschie könnte mit der Linken und den Grünen für ebendiesen sorgen. Dass er diese Chance ungenutzt verstreichen lässt, ist nicht anzunehmen. Selbst die Berliner SPD-Führung hat Rot-Rot auf Länderebene bereits zugestimmt. Wäre da nicht ein Problem namens Bodo Ramelow.
Der hat Matschie im Wahlkampf oft brüskiert und immer mal wieder klargestellt, im Falle einer rot-roten Koalition selbst neuer Ministerpräsident werden zu wollen. „Wir sind der Koch, die SPD ist der Kellner“, ließ er sich zitieren, als es um die Frage ging, wer im Fall einer rot-rot-grünen Mehrheit den Ministerpräsidenten machen solle. Kurz zuvor hatte er noch gesagt, er brauche in einer neuen Regierung keinen Schreibtisch, was einige Beobachter als Bereitschaft dafür werteten, den Juniorpart zu übernehmen.
Diese uneindeutige Art zu kommunizieren, das großspurige Ankündigen und Dementieren, das Taktieren und Provozieren, macht es nicht nur Christoph Matschie schwer, sich zu Bodo Ramelow zu bekennen. Der stellvertretende Linke-Fraktionsvorsitzende im Bundestag hat einen Hang zum Lautstarken, Wohlmeinendere sehen darin auch eine Stärke. Er ist ein Mann für viele Weltsichten: ein Ostler aus dem Westen, ein Linker, der Gottesdienste besucht. Er kann kommunizieren und dennoch hart in der Sache sein, vor allem wenn es um Rechtsradikalismus geht. Von dieser Sorte hat die Linkspartei nicht viele.
1956 in Niedersachsen geboren, in Rheinhessen aufgewachsen, macht er nach der Schule eine Ausbildung zum Einzelhandelskaufmann und danach die Fachhochschulreife in Marburg. Er arbeitet bei Karstadt und wird schnell Gewerkschaftssekretär in Mittelhessen. Als 1989 die Mauer fällt, schickt ihn die HBV nach Thüringen. Es ist viel los in dieser Zeit, der Osten ein großes Abenteuer für einen, der sich im Westen mit seinen Gewerkschaftschefs über die Kleiderordnung bei Dienstbesprechungen streiten muss. Ramelow bleibt. Er düst durchs Land, schult Leute, kämpft für die Arbeitnehmer gegen die Treuhand. Die Leute mögen einen wie ihn, einen Furchtlosen und Parteiischen. Auch der PDS fällt der ossifizierte Westdeutsche auf. 1999 tritt er in die Partei ein, 2001 wird er Vorsitzender der Landtagsfraktion in Erfurt, 2004 holt er in Thüringen sagenhafte 26 Prozent.
Auch deshalb nimmt er diesmal den Mund voll: Er will jetzt den Job. Und wenn er den nicht haben kann, will er wenigstens dafür sorgen, dass Althaus gehen muss. Dafür wird er auch zu Kompromissen bereit sein. Aber nur, wenn es sein muss.
SACHSEN Stanislaw Tillich (CDU) bleibt sächsischer Ministerpräsident. Sein erstes Amtsjahr war geräuschlos, jetzt steht ihm seine Bewährungsprobe bevor
VON MICHAEL BARTSCH
„Ein Sorbe wird Sachsens Ministerpräsident“, hieß es noch im Juni 2008, als Stanislaw Tillich geräuschlos die Nachfolge des zermürbten Georg Milbradt antrat. Ein Jahr später wurde aus dem Sorben im Landtagswahlkampf nur noch „der Sachse“. Laut ersten Prognosen von 18 Uhr am Sonntag erreicht die Union in Sachsen 40,5 Prozent. Damit kann Tillich zusammen mit der FDP weiter regieren.
Dass er „einer von hier“ ist, mag weniger zum bescheidenen Wahlerfolg Tillichs und der Union beigetragen haben, denn alle Spitzenkandidaten der Konkurrenz stammen ebenfalls aus Ostdeutschland. Auf spektakuläre Erfolge konnte er auch nicht verweisen, denn das eine Jahr seiner Amtszeit plätscherte eher geruhsam dahin. Nur irgendwo weit außerhalb von Sachsen soll es angeblich eine Weltkrise geben.
Für Stabilität war Tillich denn auch in gewohnt konservativer Weise angetreten, beispielsweise bei seinen Warnungen vor einer aufwändigen Umgestaltung des Schulsystems hin zu längerem gemeinsamem Lernen. Dieses Beharrungsvermögen, das an den früheren SED-Slogan „Unser Weg ist richtig!“ erinnert, goutiert immer noch eine relative Mehrheit der Sachsen, auch wenn deren Anteil weiter schwindet. Tillichs Person, seine umgängliche, freundliche, oft konfliktscheue Art mag den Abwärtstrend der Union eher gebremst haben. Und eine fotogene Erscheinung bleibt bekanntlich auch nicht ohne Wirkung auf bestimmte Wählerkreise.
Mit sächsischem Glanz, wie ihn die Ära Biedenkopf penetrant für das Mutterland der Technik und der Künste beschwor, hat das freilich nichts mehr zu tun. Tillich ist kein Charismatiker, schon gar kein Prediger, und wirkt an Rednerpulten oft unsicher. Im kleineren Kreis gibt er sich dafür umso erfahrener und gelassener. Dann müssen sich alle seine Konkurrenten erst einmal an seiner Realpolitik messen lassen. Kompetenz hat er sich als Abgeordneter in Brüssel, als Staatskanzleichef, Umwelt- und Finanzminister durchaus erworben. Er ist ein fleißiger, unauffälliger Arbeiter und weniger ein Mann der großen Auftritte.
So recht mag eine Mehrheit der Sachsen auch nicht glauben, dass dieser Mann mit dem verschmitzten Lächeln im letzten DDR-Jahr als CDU-Funktionär beim Rat des Kreises Kamenz noch viele Bösartigkeiten ausgeheckt hat. Mit wenigen Ausnahmen spielte dieses Thema, das ihn spätestens seit Herbst 2008 verfolgte, im Wahlkampf keine Rolle mehr. „Gebt Gott, was Gottes ist, und dem Kaiser, was des Kaisers ist“, diesen Satz aus dem Matthäusevangelium hatten gerade die katholischen Sorben verinnerlicht. So mischten sich Anpassungs- und Karriereinstinkte bei ihm in durchaus DDR-typischer Weise.
In Zungen reden konnte Tillich indessen schon, hätte die vier Sprachen, die er spricht, auch gern vertieft, landete aber beim Maschinenbau. Nach der Wende betrieb er sogar ein kleines Ingenieurbüro, bevor es ihn mit der gewendeten CDU endgültig in die Politik trieb. Mit der voraussichtlichen Bestätigung im sächsischen Spitzenamt aber steht die eigentliche Bewährungsprobe des 50-Jährigen erst bevor. Denn die fetten Jahre sind auch für Sachsen vorbei.
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