Krieg in Sudan: Der Horror in Darfur nimmt kein Ende

Fliehende aus der Kriegsregion in Sudan berichten von weiteren Massakern. Es mehren sich die Sorgen über einen drohenden Völkermord.

Vor einer Mauer liegen getötete Einwohner von Geneina, die mit Decken abgedeckt sind

Opfer der Gewalt in Darfur in der Stadt Geneina im Juni 2023 Foto: afp

BERLIN taz | Auf 8.000 Tote schätzen Fliehende mittlerweile die Zahl der Opfer, die die Massaker der RSF-Miliz (Rapid Support Forces) in der westsudanesischen Stadt El-Geneina in Darfur seit Mitte Juni gefordert haben. Der sudanesische Sender „Radio Dabanga“ zitiert in einem aktuellen Bericht Geflüchtete aus der Provinzhauptstadt West-Darfurs, die Adré im Nachbarland Tschad erreicht haben. „Sie haben die Stadt zerstört und nichts ist mehr übrig“, wird einer zitiert.

In El-Geneina lebten bis vor Kurzem mehrere hunderttausend Menschen, rund die Hälfte davon in Flüchtlingslagern nach den Vertreibungskriegen der vergangenen Jahrzehnte. Mit Ausnahme zweier Viertel sei jetzt die gesamte Stadt zerstört worden, heißt es in den Erzählungen der Flüchtlinge. Die RSF begann im April mit Angriffen auf die Flüchtlingslager, tötete am 14. Juni West-Darfurs Provinzgouverneur in El-Geneina und übernahm seitdem die Macht; die Angehörigen der Masalit-Volksgruppe ergriffen kollektiv die Flucht, sofern sie nicht selbst getötet wurden. Ein Flüchtling erzählt in dem Bericht, wie er aus einem Versteck mit ansah, dass RSF-Milizionäre eine Gruppe von Fliehenden auf der Straße Richtung Tschad anhielt, 20 Kinder in der Gruppe erschoss und die Leichen in einen Fluss warf. Er selbst habe zwei Monate in El-Geneina versteckt gelebt, „wir wurden belagert, mit Scharfschützen auf den Dächern über jeder Straße“.

In Zalingei, Hauptstadt der Nachbarprovinz Zentral-Darfur, sollen Berichten zufolge die RSF inzwischen ebenfalls die Macht übernommen haben, nach einem Monat Belagerung. „Die Einwohner sind in ihren Häusern gefangen; sie haben die Wahl, aus Mangel an Lebensmitteln und Wasser oder durch die Kugel eines Scharfschützen zu sterben“, zitiert der US-Aktivist Eric Reeves einen geflohenen Bewohner der Stadt.

In Süd-Darfur, aus dessen Provinzhauptstadt Nyala RSF-Chef Hamdan Daglo Hametti stammt, haben die RSF-Milizen die Oberhand, aber auch dort wurde am Dienstag gekämpft. Die RSF ging einst aus der Reitermiliz „Janjaweed“ hervor, die vor zwanzig Jahren im Auftrag des sudanesischen Staates Revolten in Darfur niederschlug; Hametti will nun nach Einschätzung von Beobachtern Darfur zu einer Hochburg seines eigenen Kampfes gegen Sudans Staatsmacht machen.

Angesichts der Lage mehren sich jetzt international die Sorgen vor einem Völkermord. Ein von 94 Gruppen und Einzelpersonen unterzeichneter „Sudan Genocide Warning Letter“ warnt: „Nichtarabische Bevölkerungen in Darfur, insbesondere Angehörige der Volksgruppe der Masalit, laufen das Risiko eines Genozids.“ Die UNO solle ihre einstige Beobachtertruppe in Darfur reaktivieren, um „Schutzzonen und humanitäre Korridore“ zu sichern, und sie solle einen Untersuchungsmechanismus für Kriegsverbrechen in Sudan einrichten, analog derer für Syrien und Myanmar. Sanktionen seien nötig, um zu verhindern, dass Firmen der russischen Wagner-Gruppe in Darfur Gold schürfen und dafür der RSF Waffen liefern können.

Sowohl die Führung der RSF als auch die Armee- und Staatsführung Sudans seien mit harten internationalen Sanktionen zu belegen, die auch die mit Sudans Militärapparat verflochtenen Banken und Unternehmen treffen, fordert darüber hinaus in einem offenen Brief eine NGO-Gruppe um die Organisation „The Sentry“ des US-Aktivisten John Prendergast.

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