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Streit um das Klimahaus in BremerhavenSchlechtes Klima am Alten Hafen

Das Klimahaus galt bislang als erfolgreiche Attraktion. Doch jetzt verlängert die Stadt den Vertrag mit dem Betreiber nicht. Der zieht vor Gericht.

Ab 2024 soll im Klimahaus die Ausstellung „Extremwetter“ zu sehen sein. Kostenpunkt: 11,4 Millionen Foto: Sina Schuldt/dpa

Bremen taz | Seit 2009 ist das Klimahaus in Bremerhaven ein Erfolgsprojekt – und das in einer Stadt, die sonst nicht viele davon hat. Am Alten Hafen zieht das organisch aussehende Gebäude pro Jahr mindestens 400.000 Menschen an, die potenziell Zimmer in Hotels buchen, essen gehen, kurz: Geld dalassen. Und das alles schafft das Klimahaus auch noch unter der Flagge des Klimaschutzes.

Obwohl alles scheinbar so gut läuft, soll es jetzt einen neuen Betreiber geben. Am 5. Juli hat die Bremerhavener Entwicklungsgesellschaft Alter/Neuer Hafen (BEAN) beschlossen, dass von nun an der Windkraftunternehmer Klaus Meier das Klimahaus leiten soll. Die alten Betreiber verstehen die Welt nicht mehr und klagen inzwischen gegen das Vergabeverfahren.

Im Klimahaus gibt es aktuell drei Ausstellungen. Die bekannteste von ihnen ist „Die Reise“. Dabei besuchen die Gäste verschiedene Orte anhand des Längengrads acht Ost. In jedem Raum findet sich eine andere Klimazone mit anderen Temperaturen, Luftfeuchtigkeiten und natürlich Dekorationen. Be­su­che­r*in­nen laufen von der angenehm kühlen Schweiz nach Kamerun bis in die Antarktis.

Neben der Reise-Ausstellung gibt es andere, die über das Klima aufklären sollen. Tagungen und Erwachsenenbildungskurse finden „Am Längengrad 8“, so die Adresse des Klimahauses, ebenfalls statt. Bekannt ist das Klimahaus aber hauptsächlich für „Die Reise“, denn wer vermutet schon Wüste neben arktischen Temperaturen in Bremerhaven?

Eine Ausstellung soll elfeinhalb Millionen Euro kosten

So einfach das Erfolgsrezept des Klimahauses zu sein scheint, so kompliziert ist seine Betriebsstruktur: Der städtischen Gesellschaft BEAN gehört das Gebäude und die darin befindlichen Ausstellungen. Die Betreiber konzipieren hingegen die Ausstellungen, organisieren den Ticketverkauf, das Marketing und halten Kontakt zu wissenschaftlichen Partnerorganisationen. Bisher hatte Arne Dunker als Betreiber das Klimahaus geleitet. Ende Juli wäre der Vertrag mit Dunker ausgelaufen, weshalb die BEAN vor zehn Monaten ein Vergabeverfahren gestartet hat.

Dass der Vertrag nicht einfach verlängert wurde, liegt daran, dass eine neue Ausstellung zu Extremwetter für fast elfeinhalb Millionen Euro geplant ist. Da dieses Geld aus der öffentlichen Hand kommt, will die BEAN sich durch das Verfahren absichern.

Das Verfahren zur Auswahl des zukünftigen Betreibers verlief nicht-öffentlich. In Einzelsitzungen interviewten die Vorsitzenden der BEAN die Bewerber*innen. Wie viele Be­wer­be­r*in­nen es genau waren, ist nicht ganz klar. Alle legten aber sowohl inhaltliche als auch finanzielle Entwürfe vor. Basierend auf diesen Unterlagen und den Gesprächen in den Sitzungen entschied die BEAN, dass die alte Firma nicht mehr das Klimahaus betreiben wird, die 140 Mit­ar­bei­te­r*in­nen ihre Jobs aber behalten – bis auf Arne Dunker und wenige andere.

Die Inhalte der Entwürfe sind nur den Mitgliedern der BEAN bekannt, da alle Unterlagen unter Verschluss gehalten werden, zumindest vorerst. Bald soll etwas passieren, das den griffigen Namen Vergabenachprüfungsverfahren trägt, denn die derzeitigen Betreiber haben am letzten Freitag Einspruch vor Gericht eingelegt.

Im Kern geht es bei dem Streit um den Betreiberwechsel darum, was genau in den Entwürfen steht. Bei der bisherigen Betreiberfirma ist Wolfgang Heumer für die Pressekommunikation zuständig. Er sagt, dass der Wechsel für Dunker und alle anderen extrem überraschend kam: „Das Klimahaus ist von der jetzigen Betreibergesellschaft erfolgreich entwickelt und geführt worden, bekommt keine Zuschüsse von der öffentlichen Hand. Außerdem haben wir dafür gesorgt, dass sich das Klimahaus zum Ort für wissenschaftliche Kommunikation entwickelt. Es ist unter unserer Führung zu einer beständigen Ankerattraktion in Bremerhaven geworden.“

„Zu viel Unterhaltung, zu wenig Wissenschaft“

Der BEAN wirft Heumer vor, die finanziellen Interessen vor die inhaltlichen gestellt zu haben. Klaus Meier kann, das bestätigt auch die Stadt, mehr Geld bieten. Wie er das Klimahaus inhaltlich ausrichten möchte, ist unklar. Um die Ausstellung weiterzuführen, sei Kontakt mit den Leuten in den dargestellten Ländern wichtig und den habe Meier nicht, sagt Heumer. Ebenso wenig sei er darüber informiert, wie viel Kommunikation mit wissenschaftlichen Einrichtungen wie dem Al­fred-Wegener-Institut (AWI) in Bremerhaven bereits stattfinde.

Windkraftunternehmer Klaus Meier war trotz Nachfrage der taz für Nachfragen nicht zu erreichen, aber im Interview in der Bremer Regionalsendung „buten un binnen“ am 10. Juli äußerte er Zweifel daran, wie gut die inhaltliche Ausrichtung des Klimahauses bis jetzt tatsächlich war. Er räumt ein, das Haus sei zwar „ausgezeichnet geführt“ worden, aber eher im Sinne eines Hauses der Unterhaltung. Das sei ihm zu wenig, „mehr Wissenschaftlichkeit“ sei sein Ziel.

Auch diese Aussagen kritisiert Wolfgang Heumer. Bereits seit 2003 gebe es einen Kooperationsvertrag mit dem Alfred-Wegener-Institut.

Die BEAN unter der Leitung des Bremerhavener Oberbürgermeisters Melf Grantz (SPD), mache sich über all das keine Sorgen, sagt Pressesprecherin Laura Bohlmann. Meier, sagt sie, habe schlicht das überzeugendere Angebot gemacht. Das Vergabeverfahren sei juristisch begleitet worden, sodass alles mit rechten Dingen zugegangen sei. Das Überprüfungsverfahren, das jetzt stattfinden soll, sei Routine und beunruhige den Bürgermeister nicht.

Ob wirklich eine der Parteien ein besseres Konzept vorgelegt hat, wird wohl erst bei Veröffentlichung der Bewerbungen klar werden.

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2 Kommentare

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  • Mir ist unklar, warum in solchen Bereichen immer noch größtmögliche Intransparenz herrscht

    • @Ramelow Cathrin:

      Das frage ich mich auch. Wäre interessant. mit welche Begründung eine Anfrage gemäß Informationsfreiheitsgesetz abgelehnt würde, insbesondere wenn sie sich nur auf die Betriebskonzepte der Bewerber beziehen würde.