Bremer Suchtberatungs-Angebot läuft aus: Wer zahlt Hilfe in leichter Sprache?

Die Ambulante Suchthilfe berät Menschen mit geistiger Behinderung. Dafür hat sie spezialisiertes Personal. Die Stelle läuft zum Ende des Jahres aus.

Informationsmaterial zum Thema "Leichte Sprache" liegt auf einem Tisch.

In der Suchtberatung für Menschen mit geistiger Behinderung unverzichtbar: leichte Sprache Foto: dpa | Sven Hoppe

BREMEN taz | Alkohol oder andere Drogen: Auch Menschen mit geistiger Behinderung können süchtig sein, in ganz ähnlichem Umfang wie die Allgemeinbevölkerung. So schreibt es die Ambulante Suchthilfe Bremen. Henrike Kuhn bietet dort eine spezielle Beratung für eben diese Menschen an. Doch die volle Stelle, die sie sich mit einer anderen Kollegin teilt, läuft Ende des Jahres aus. Eine weitere Finanzierung hängt vom nächsten Haushalt ab.

Im Gegensatz zur Suchtberatung für Menschen ohne geistige Behinderung brauche es mehr Zeit und Flexibilität, sagt Kuhn. „Wir müssen mit jedem Menschen genau gucken, wie wir uns verstehen und einen gemeinsamen Arbeitsstil finden.“ Auch die Atmosphäre sei wichtig. Zudem brauche es oft leichte Sprache und viele Wiederholungen, „sodass Inhalte in den Alltag übertragen werden können“.

Auch Regelmäßigkeit sei wichtig. Viele Menschen hätten immer ähnlich durchgeplante Wochen – durch die Stelle regelmäßige Termine anbieten zu können, sei gut. „Inklusion heißt eben nicht, dass alle nur das Gleiche kriegen.“

Die Arbeit mache „wahnsinnig viel Spaß“. Zugleich sei es „fürchterlich, dass es so lange gebraucht hat, bis das Thema präsenter wurde“. 2019 ging das Projekt los. Kuhn bekam die Stelle nach dem Studium der Sozialen Arbeit und ihrem Anerkennungsjahr bei der Ambulanten Suchthilfe. Seither hat ihr Team mehr als 60 Kli­en­t*in­nen in der direkten Beratung und rund 300 Personen über Präventions- und Informationsveranstaltungen erreicht.

Auch ein Menschenrecht braucht zur Umsetzung Geld

Jeden Montag bieten sie eine Gruppe in leichter Sprache an, zudem Einzelberatung und Infoveranstaltungen. Ihr größter Wunsch ist, dass die Stelle verstetigt wird. „Allen ist das wichtig, alle sagen, das ist ein Menschenrecht. Aber ich bin in Sorge, dass es kein Geld mehr gibt“, sagt Kuhn.

In Artikel 25 der UN-Behindertenrechtskonvention ist das Recht von Menschen mit Behinderung auf Gesundheit festgeschrieben. „Durch geeignete Maßnahmen ist zu gewährleisten, dass behinderten Menschen Zugang zu Gesundheitsdiensten haben.“

Im Bereich Sucht gebe es in Deutschland nur wenige spezielle Hilfsangebote, schreibt die Ambulante Suchthilfe. „Bei einer bestehenden Problematik stehen Sucht- und Behindertenhilfe meist vor einer großen Herausforderung. Um die Hilfen anzubieten, die benötigt werden, ist ein stärkeres Zusammenwirken von Behinderten- und Suchthilfe erforderlich.“

Genau das ist das Ziel des Projekts: „Wir wollen mit den Trägern der Behindertenhilfe kooperieren“, sagt Kuhn. Mit einigen geschehe das bereits, so biete man in der Werkstatt Bremen regelmäßig Infoveranstaltungen an. „Prävention ist ein wichtiges Thema“, sagt Kuhn. „Oft fehlt es an Problembewusstsein und Wissen über Konsum und die Folgen des Konsums.“

Beatrix Meier, Geschäftsführerin der Ambulanten Suchthilfe, hat in der Sitzung des Landesteilhabebeirats in der vergangenen Woche für das Anliegen geworben: „Es wäre ein Unding, wenn wir keine Möglichkeit finden, da weiterzumachen.“ Alles, was es brauche, sei das Geld – ab 2024. „Dann können wir das ohne Probleme weiter ausbauen. Alles andere steht zur Verfügung.“ Es sei in „keinster Weise“ möglich, die Arbeit von Kuhn und ihrer Kollegin innerhalb der normalen Beratung zu machen.

Auch die alte und neue Gesundheitssenatorin Claudia Bernhard (Linke) findet aus „fachlich-inhaltlicher Perspektive“ eine Verstetigung „absolut richtig“, schreibt Sprecher Lukas Fuhrmann – ob das gelinge, hänge jedoch von den kommenden Haushaltsberatungen ab. Aktuell werde die Stelle aus „Modellmitteln zur Psychiatrie­reform“ finanziert. Diese dienten zur Erprobung neuer Strukturen, seien aber nur befristet verfügbar.

Landesteilhabebeirat will dauerhafte Finanzierung

Eine Finanzierung aus diesen Mitteln über das Jahr 2023 hinaus sei deshalb nicht möglich. Dem Ressort sei es aber ein Anliegen, das Angebot aufrechtzuerhalten. „Ein anderes Angebot gibt es in Bremen in diesem Bereich nicht.“

Auch dem Landesbehindertenbeauftragten Arne Frankenstein ist es „sehr wichtig“, dass das Projekt fortgeführt wird. „Es zeigt deutlich, dass es besonders vulnerable Personen gibt mit besonderen Bedarfen, die einfach eine besondere Unterstützung brauchen“, sagte er im Landesteilhabebeirat. Sie dürften nicht in der normalen Beratung „untergehen“.

Frankensteins Behörde wird in den nächsten Wochen einen Beschluss für den Landesteilhabebeirat vorbereiten. Dieser wird damit die Ressorts Gesundheit und Soziales auffordern, den Projektstatus in eine Dauerfinanzierung umzuwandeln.

Wenn die Stelle erhalten bleibt, will sich die Ambulante Suchthilfe auch mehr um Menschen mit wenig Deutschkenntnissen und geistiger Behinderung kümmern. „Leichte Sprache ist ja unser Thema, wir glauben, dass sich das ziemlich gut machen ließe“, sagt Kuhn. Menschen, die nach Deutschland kommen und eine Behinderung haben, seien „wirklich schlecht versorgt, wir würden uns da zuständig fühlen“.

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