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das portraitBen Henry Uhrigist ein Nachwuchstalent auf dem Platz – aber Fußball spielt er nicht

Undankbare Entscheidungen treffen und von allen Seiten angepöbelt werden – wie kann das Spaß machen? Fragt man das den Hamburger Schiedsrichter Ben Henry Uhrig, stellt er die Gegenfrage: „Was am Schiedsrichter-Sein macht keinen Spaß?“

Dem 22-Jährigen geht es um Fairness auf dem Platz, dafür setzt er sich ein. Auch, wenn es manchmal Kritik hagelt. „Ich habe schon früh gelernt, dass es dabei nicht um mich als Person geht, sondern nur um meine Rolle. Dadurch prallt der Frust der anderen an mir ab“, sagt Uhrig.

Profifußballer werden, davon hat Uhrig als Kind geträumt. „Als Spieler hätte ich es aber nie so weit gebracht.“ Trotzdem wird er ab der kommenden Saison auf den Fußballplätzen der Regionalligisten stehen. Jetzt pfeift er eben. Seit acht Jahren ist Uhrig Schiedsrichter, erst pfiff er Spiele in der Bezirksliga, arbeitete sich dann schnell hoch in die Oberliga und A-Junioren-Bundesliga.

„Seit ich ein kleines Kind bin, liebe ich den Fußball“, erzählt Uhrig. Mit fünf Jahren fing er an, beim SC Sternschanze zu spielen, spielte zehn Jahre in der Kreisklasse. Doch als er dann seinen Schiedsrichter-Schein absolvierte und dafür extra Training bekam, entfachte Uhrigs Leidenschaft für den Sport erst so richtig. „Schnell konnte ich Spiele in immer höheren Ligen pfeifen.“

Also gab Uhrig das Spielen auf, nicht aber den Fußball und schon gar nicht seinen Kindheitstraum. Diesen definierte er nur neu. Denn als Schiedsrichter konnte er endlich das haben, was er sich schon so lange gewünscht hatte: Ganz nah am professionellen Fußball dran sein.

In jedem Spiel stehen an der Seite des Nachwuchstalents zwei Assistenten. Ein Beobachter überprüft seine Entscheidungen. Am Ende gibt es eine Note.

Die Kritik auf dem Platz prallt von ihm ab, nicht aber seine eigene: „Ich selbst bin mein größter Kritiker.“ Minutiös schaut er sich die Video-Aufzeichnung nach jedem Spiel an, immer mit der Frage: „Habe ich fair entschieden?“ Ist er sich unsicher, bespricht er sich mit seinen Assistenten, seinem Beobachter oder Kollegen aus höheren Ligen. Erst, wenn der 22-Jährige weiß, wie er es nächstes Mal besser machen kann, ist er zufrieden.

Wenn Uhrig pfeift, zählt jede Sekunde. „Je langsamer ich entscheide, desto stärker leidet die Akzeptanz für meine Entscheidung“, sagt der Schiedsrichter. Einen Videoassistenten hat er nicht an seiner Seite, nur sein Assistententeam über einen Knopf im Ohr. Damit Uhrig möglichst immer weiß, wie eine Situation auf dem Feld zu bewerten ist, lernt er, was das Zeug hält. Videotests und Klausuren über die Regeln stellen sein Können regelmäßig auf die Probe.

Und auch körperlich muss sich Uhrig fit halten. Schiedsrichtertraining bekommt er beim Hamburger Fußballverband, Alsterrunden läuft er mehrmals die Woche und auch im Fitnessstudio powert er sich aus. Uhrigs Alltag ist eng getaktet: Nebenher ist er noch Vorstand im Bezirksschiedsrichter-Ausschuss und macht eine Ausbildung zum Kaufmann im Gesundheitswesen.

Mit seinem Aufstieg in die Regionalliga wird sein Pensum nicht sinken. Doch das ist es Ben Henry Uhrig auf dem Weg zu seinem Traum allemal wert: Eines Tages ein Spiel im Profifußball pfeifen. Lea Scholz

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